Wenn sich die Zeitumstellung auf die Gesundheit auswirkt
Am kommenden Wochenende wird die Uhrzeit auf die Winterzeit umgestellt. Einige Menschen haben mit der Zeitumstellung mehr zu kämpfen als andere.

Am kommenden Wochenende wird die Uhrzeit auf die Winterzeit umgestellt. Heisst, in der Nacht auf Sonntag wird die Zeit von 3 Uhr um eine Stunde auf 2 Uhr zurückgestellt. Für die einen reine Formalität, für andere ein grosser Störfaktor für den Biorhythmus beziehungsweise den Alltag.
Wir haben bei Prof. Dr. Ramin Khatami, Chefarzt Schlafmedizin und Epileptologie der Klinik Barmelweid, nachgefragt.
Nau.ch: Prof. Dr. Ramin Khatami, welche Auswirkungen bringt die Zeitumstellung mit sich?
Prof. Dr. Ramin Khatami: Die halbjährliche Zeitumstellung entspricht jedes Mal einem Mini-Jetlag. Mit anderen Worten: Von einem auf den anderen Tag passt der zeitliche Ablauf der Körpervorgänge nicht mehr zur der Uhrzeit und muss neu eingestellt werden.
Um die Auswirkungen der Zeitumstellung zu verstehen, muss man wissen, dass nahezu alle Körpervorgänge (z.B. Hormonausschüttungen, die Stärke der Immunabwehr oder der Schlaf-Wach-Rhythmus etc.) nicht einfach zufällig ablaufen, sondern zeitlich sehr exakt aufeinander abgestimmt sind und einem circadianen 24-Stunden-Rhythmus folgen.

Die Zeitumstellung rüttelt dieses fein abgestimmte «Körperorchester» jedes Mal durcheinander. Obwohl die Verschiebung von einer Stunde klein ist und sich die meisten Menschen innerhalb von sieben bis zehn Tagen anpassen, werden einige Personen über längere Zeit Schlafprobleme, Stimmungsveränderungen mit Depression, Müdigkeit und Erschöpfung etc. haben.
Statistisch gesehen kommt es bei den Zeitumstellungen auch zu mehr Verkehrsunfällen und mehr Herzinfarkten. Der Vorteil der jetzigen Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit ist, dass wir die Stunde Zeit zurückbekommen, die uns im März weggenommen wurde. Viele nützen dies, um länger zu schlafen.
Anders als bei der Umstellung der Winter- auf die Sommerzeit im März müssen wir nicht auch noch ein zusätzliches Schlafdefizit kompensieren.

Nau.ch: Hilft ein geregelter Tagesablauf, die Umstellung besser zu bewältigen?
Prof. Dr. Ramin Khatami: Ja, sicherlich. Da der zirkadiane Rhythmus vor allem den Schlaf-Wach-Rhythmus bestimmt, hilft ein geregelter Tagesablauf diesen zu stabilisieren. Jeder Einzelne kann somit darauf achten, dass die Verschiebung tatsächlich nur eine Stunde bleibt.
Nau.ch: Bereits seit Langem wird diskutiert, die Zeitumstellung abzuschaffen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Prof. Dr. Ramin Khatami: Ich bin sehr dafür und die EU wird nächstes Jahr damit Ernst machen. Vor allem die Umstellung von der Winter- auf die Sommerzeit stellt für den Körper eine Herausforderung dar. Hier ist die Kombination von Zeitumstellung und Schlafdefizit besonders ungünstig und kann zu Gesundheitsproblemen führen oder gesundheitliche Beschwerden verstärken.
Vor allem Abendmenschen und Jugendliche, die in dieser Entwicklungsphase erst spät ins Bett kommen, fehlt diese Stunde. Wir leben ohnehin in einer 24/7-Gesellschaft, die den sozialen Jetlag fördert. Erst in letzten Jahren lernen wir durch grosse wissenschaftliche Studien das gesellschaftliche und gesundheitliche Risiko des Social Jetlag kennen.

Beispielweise die Auswirkungen des Social Jetlags auf Herz-Kreislauferkrankungen. Untersuchungen aus nördlichen Ländern zeigen eine Zunahme von Depressionen und sogar eine höhere Suizidrate. Die erhofften Vorteile der Zeitumstellung, welche die Schweiz 1981 eingeführt hat, sind hingegen ausgeblieben. Daher sehe ich keinen Grund, warum wir an der Zeitumstellung festhalten sollten und uns dem gesundheitlichen Risiko aussetzen sollen.
Ich würde empfehlen die Winterzeit beizubehalten, die ohnehin richtigerweise «Normalzeit» genannt wird. Bei einer permanenten Sommerzeit würde es im Winter erst um 9 Uhr hell werden.

Nau.ch: Was sind Ihre Tipps, um diese Umstellung besser/leichter zu bewältigen?
Prof. Dr. Ramin Khatami: Leider kann man nicht viel machen – der Körper muss die Verschiebung selbst korrigieren. Empfindliche Personen können schon vor der dem 25. Oktober, mit einer «kleinen» Zeitumstellung, zum Beispiel in 15 Minuten Schritten alle drei bis vier Tage, beginnen. So hat der Körper mehr Zeit, sich anzupassen.
Bei starken Beschwerden sollten Betroffene sich nicht scheuen, ärztlichen Rat zu suchen. Mit bestimmten Medikamenten kann man dem Körper bei der Umstellung helfen.
Familien mit Kindern und Menschen, die keine oder nur geringe Anpassungsschwierigkeiten haben, empfehle ich, die gewonnene Stunde tatsächlich zu nutzen, um länger zu schlafen.