Angesichts «enormer Verwerfungen» auf den globalen Agrarmärkten durch den Ukraine-Krieg fordert die FDP-Bundestagsfraktion einen stärkeren Fokus der europäischen Agrarpolitik auf Ernährungssicherheit.
Weizenfeld in Nordrhein-Westfalen
Weizenfeld in Nordrhein-Westfalen - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ukraine-Krieg lässt Preise an Agrarmärkten steigen.

Aufgrund der angespannten Situation sei es «zwingend notwendig, Europas Produktionskapazität in diesem Jahr zu steigern», heisst es in einem Positionspapier, das der Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vorlag. Die Sprecherin der Grünen-Fraktion für Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, warnte vor «alten und bereits gescheiterten Konzepten».

Der Agrarausschuss des Deutschen Bundestags trat am Mittwoch kurzfristig zu einer Sondersitzung zusammen. Hintergrund sind die Entwicklungen an den globalen Agrarmärkten aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine. Für Freitag hat zudem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) die G7-Agrarminister zu einem Sondertreffen eingeladen.

Der Anteil Russlands und der Ukraine an den weltweiten Weizenexporten ist bedeutend: Laut Zahlen des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist Russland für zehn Prozent und die Ukraine für weitere vier Prozent der globalen Weizenproduktion verantwortlich. Abnehmer sind primär die Länder in Nordafrika, die Türkei und Länder in Asien. Die EU und Deutschland haben demnach einen Selbstversorgungsgrad von 100 Prozent. Die Weizenpreise hatten angesichts des Ukraine-Kriegs zuletzt Rekordstände erreicht.

Im Positionspapier der FDP-Fraktion heisst es, zwar sei die Ernährungssicherheit in der EU durch den Ukraine-Krieg nicht gefährdet, «jedoch sind die Folgen für die globale Ernährungssicherheit im Zuge steigender Weltmarktpreise absehbar».

Die FDP-Fraktion fordert vor diesem Hintergrund eine Neubewertung und -Ausrichtung der EU-Agrarpolitik. Ernährungssicherheit müsse «neben dem Biodiversitätsschutz und der Stärkung des ländlichen Raumes ein fester Bestandteil» der EU-Agrarpolitik werden. Nötig sei eine langfristige Strategie, die den Agrarsektor «resilienter, auch im Blick auf Nahrungsmittelversorgung und deren Lieferketten macht».

Die FDP-Fraktion fordert deshalb einen Verzicht auf sogenannte Stilllegungen, bei denen Landwirte ab 2023 auf die Bewirtschaftung von vier Prozent ihrer Flächen verzichten sollen. Diese Regelung solle «grundlegend ausgesetzt werden», zudem müssten grössere Vorräte angelegt werden. Auch die Ausweitung des Ökolandbaus und eine pauschale Reduzierung chemischer Pflanzenschutzmittel seien der «falsche Weg», heisst es weiter in dem Papier. Stattdessen brauche es ein Konzept, um «die Produktion hierzulande ökologisch zu intensivieren». Der Anbau in der EU müsse kurzfristig «deutlich ausgeweitet werden».

Erreicht werden soll dies laut der FDP-Fraktion auch mit neuen Züchtungstechnologien und der Entwicklung und Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel. Die FDP forderte einen «innovationsfreundlichen Rahmen auf EU- und nationaler Ebene», um verbesserte Wirkstoffe zur Anwendung zu bringen.

Die Sprecherin für Ernährung und Landwirtschaft der Grünen Bundestagsfraktion, Renate Künast, warnte davor, «alte und bereits gescheiterte Konzepte aus der Schublade zu zerren». Künast forderte, die Abhängigkeit «von energieintensiven Produktionsmitteln, wie etwa Düngemitteln und Pestiziden, schnell und deutlich» zu verringern. Sie forderte stattdessen einen Ausbau der ökologischen Landwirtschaft und wegen der begrenzten Flächen eine Reduktion der Nutztierhaltung. «Wenn wir Klimakrise und den Verlust der Artenvielfalt ignorieren, dann drohen uns in der Zukunft weitere schwierige Situationen», erklärte Künast.

Der agrar- und ernährungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Albert Stegemann, kritisierte die Sondersitzung am Mittwoch als «weitestgehend ergebnislos». Zu den politischen Reaktionen auf die aktuelle Situation seien seitens der Ampel-Regierung nur «ausweichende Antworten» gegeben worden. Stegmann forderte die Bundesregierung auf, «unverzüglich einen Krisenstab zur Versorgungssicherheit in Deutschland einzurichten».

Mit Blick auf das Treffen der G7-Agrarminister am Freitag forderte die Welthungerhilfe unterdessen ein grösseres Engagement der Bundesrepublik bei der Hungerbekämpfung. «Gerade die Ärmsten in vielen Ländern des Globalen Südens werden von den gravierenden Engpässen auf dem Weltmarkt und den explodierenden Nahrungsmittelpreisen besonders betroffen sein», erklärte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. Die Corona-Pandemie und die Folgen der Klimakrise hätten bereits dazu geführt, dass weltweit 811 Millionen Menschen zusätzlich an Hunger leiden.

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