Wahlen 2019: Für Blinde geht Wählen nur über Umwege
Am Sonntag stehen die eidgenössischen Wahlen 2019 an. Für sehbehinderte Menschen ist es unmöglich, ohne Fremdhilfe zu wählen. Doch wie gehen Blinde dabei vor?
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Das Wichtigste in Kürze
- Am Sonntag wird das neue Parlament in der Schweiz gewählt.
- Für Sehbehinderte ist das Wählen ohne Hilfe einer Drittperson unmöglich.
- Nau begleitet den blinden Tech-Journalisten René Jaun bei seiner Stimmabgabe.
Wenn Wahlen anstehen, gibt's bei den Meisten als Erstes einen grossen Papierstapel auf dem Tisch. Nachdem das Couvert geöffnet ist, muss man sich erst mal durch die Flyer der Kandidierenden kämpfen. Anschliessend folgt das eigentliche Ausfüllen des Wahlzettels, wobei im Voraus eventuell panaschiert und kumuliert wird.
Was bereits nach einem langwierigen Prozess klingen mag, ist für Sehbehinderte und Blinde noch aufwendiger. Sie können die Abstimmungsunterlagen nur mit fremder Hilfe ausfüllen. Dass die Drittpersonen dabei zwangsläufig erfahren, wie die Blinden stimmen, ist unumgänglich.

Vorbereitung im Internet
Auch René Jaun gibt vor den eidgenössischen Wahlen 2019 seine Stimme ab. Alleine ist das allerdings nicht möglich. Im Alter von 16 Jahren erblindete Jaun komplett, zuvor konnte er Farben und Kontraste erkennen. Der 38-Jährige arbeitet seit August dieses Jahres als Tech-Journalist.
Doch heute geht Jaun nicht zur Arbeit. «Ich musste mir extra freinehmen, damit ich wählen gehen kann», erklärt er. Und er kommt gut vorbereitet: «Im Voraus habe ich mich unter anderem auf Smart Vote über die Kandidierenden informiert.» Es sei für ihn viel einfacher, die Infos im Internet zu holen, als sich durch die gedruckten Flyer zu kämpfen.
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Abstimmen im Erlacherhof in Bern
Mit den erstellten Notizen auf seinem Smartphone macht sich Jaun auf den Weg zur Berner Stadtkanzlei. Dort wird er von einer Mitarbeiterin in Empfang genommen. «Die betreffende Person hilft mir anschliessend beim Ausfüllen der Wahldokumente», sagt er.
Dabei wird Jaun gefragt, welche Kandidierenden er eintragen möchte. «Anschliessend zeigt man mir, wo ich unterschreiben muss», ergänzt er.
Offensichtlich wird bei diesem Prozess also das Wahlgeheimnis nicht eingehalten. Etwas vorsichtig sagt Jaun: «Es ist schon etwas eigenartig, einer fremden Person zu sagen, was oder wen ich wähle.» Noch mehr störe ihn aber, dass er dabei anderen Menschen einen zusätzlichen Aufwand bereitet.
Elektronisches Abstimmen als Alternative?
Deshalb ist für Jaun klar: «Ich möchte sehr dringend eigenständig abstimmen und wählen können.» Doch in welcher Form? Das E-Voting wäre für ihn zwar eine brillante Lösung, doch er verstehe auch die Kritiker. Sie finden das elektronische Abstimmen unsicher.

Deshalb hat Jaun eine andere Idee: «Es wäre schon ein Fortschritt, wenn wir die Wahlliste nicht von Hand ausfüllen müssten, sondern am Computer.» So wäre es für ihn möglich, den Wahlzettel eigenständig auszufüllen. «Mit einer Schablone könnte ich sogar ohne Fremdhilfe unterschreiben. Das Problem wäre gelöst», erklärt Jaun.