Eine knappe Woche vor den Wahlen zeigt sich: Die Bevölkerung in der Stadt wählt fleissiger als auf dem Land. Das liegt an den mobilisierenden Themen.
wahlen 2019
Wahlen 2019: Am Sonntag entscheidet sich, wie das Parlament die nächsten vier Jahre zusammengesetzt sein wird. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wahlbeteiligung in Städten ist höher als in ländlichen Gemeinden.
  • Klimawandel und Frauenstreik treiben mehr Junge und mehr Frauen an die Urne.
  • Das hilft Grünen und Grünliberalen, aber weniger der SVP.

Wer seine Wählerschaft besser mobilisieren kann, gewinnt die Wahlen. Diese Binsenwahrheit gilt auch am Sonntag. Dann besetzt die Schweiz 200 Nationalratssitze und 46 Ständeratssitze neu.

Eine Umfrage bei Schweizer Gemeinden zeigt: Städte können besser mobilisieren. Beispiel Bern: Bei der Stadt Bern wird eine höhere Beteiligung erwartet als in den Vorjahren. Schon sind ein Drittel mehr Wahlzettel eingegangen als vor vier Jahren. Allerdings sind heuer die Couverts eher verschickt worden, gibt die Stadtkanzlei zu bedenken.

Wahlen 2019: Städter geben ihre Stimme häufiger ab

Beispiel Zürich: Auch in Zürich ist die Wahlbeteiligung sechs Tage vor dem Wahlsonntag deutlich höher. Mit über 24 Prozent liegt sie etwa drei Prozent höher als in den Jahren 2015, 2011 und 2007 zum selben Zeitpunkt.

Beispiel Basel: Die Stadt Basel befindet sich auf dem Niveau der früheren Parlamentswahlen. Die Wahlbeteiligung ist derzeit fast gleich hoch wie 2015 und gleich hoch wie 2011.

Beispiel Aarau: Heuer ist die Beteiligung am Montag vor der Wahl um drei Prozentpunkte höher als 2015. Aarau erwartet erfahrungsgemäss, dass in der letzten Woche noch viele Couverts eingehen. 2015 verzeichnete die Stadt zum Schluss eine überdurchschnittlich hohe Beteiligung von 59 Prozent.

Beteiligung sinkt seit Jahrzehnten

Denn im Schnitt liegt die Wahlbeteiligung in der Schweiz bei 48 Prozent. Sie liegt damit deutlich unter jener des EU-Durchschnitts von 66 Prozent und fast 40 Prozent tiefer als die Beteiligung in Schweden. Vor 100 Jahren lag sie auch in der Schweiz ähnlich hoch – damals gab es jedoch noch eine Pflicht zu wählen.

wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag 1919 bei über 80 Prozent. Am 20. Oktober 2019 nutzen gut 45 Prozent der Wahlberechtigten ihr Wahlrecht. - BFS

Heute kennt nur noch Schaffhausen diesen Zwang. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts sank die Partizipation deswegen kontinuierlich, erreichte 1995 ihren Tiefststand. Eine tiefe Wahlbeteiligung zeichnet sich auch 2019 ab: in den ländlichen Gemeinden.

Beispiel Kandersteg: Die Gemeinde im Berner Oberland wies 2015 eine Wahlbeteiligung von über 57 und 2011 von über 55 Prozent auf. Bisher sind erst 207 Couverts zurückgekommen.

Beispiel Liestal: Im Kantonshauptort von Basel-Land liegt die Wahlbeteiligung aktuell bei gut 20 Prozent. Die Baselländler wählen damit etwas weniger fleissig als vor vier Jahren zum selben Zeitpunkt. Erwartet wird eine Beteiligung von 47 Prozent.

Auch St. Gallen liegt etwas hinter der Wahlbeteiligung der Vorjahre. Deshalb geht man bei den städtischen Bevölkerungsdiensten von einer tieferen Beteiligung aus.

Claude Longchamp: «Veränderte Struktur im Vergleich zu 2015»

Insgesamt entspricht das Bild den Erwartungen. «In den urbanen Gebieten ist von einer höheren Beteiligung auszugehen, während im ruralen Raum wohl weniger Menschen wählen werden.» Insgesamt sei eine leicht steigende Partizipation möglich, sagt Politikwissenschaftler Claude Longchamp.

In der Bilanz sei dies jedoch schwer einzuschätzen. Denn es gebe zwei gegenläufige Tendenzen. Einerseits werden mehr junge Frauen unter 35 Jahren wählen; andererseits gehen bei den über-75-Jährigen weniger an die Wahlurne.

Claude Longchamp Wahlen 2019
Politikwissenschafter Claude Longchamp analysiert vor den Wahlen 2019 die drängendsten Themen in seiner Video-Kolumne für Nau.ch. - Nau

2015 wählten in dieser Altersgruppe deutlich häufiger die Männer (79 Prozent) als die Frauen (55 Prozent). Schweizerinnen und Schweizer machten ohnehin nicht gleich von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Während die Wahlbeteiligung 2015 unter den 18-24-Jährigen nur bei 30 Prozent lag, gaben zwei Drittel der 65-74-Jährigen ihre Stimme ab. Männer wählten häufiger (53 Prozent) als Frauen (46 Prozent).

Wählt 2019 wieder jeder Zweite?

Die dominierenden Themen im Wahlkampf und über das Jahr 2019 waren die Frauen- und Gleichstellungsthemen sowie der Klimawandel. Das mobilisiert Menschen, die bisher nicht gewählt haben. 2019 könnte deshalb die Grenze von 50 Prozent geknackt werden.

Der SRG-Wahlbarometer zeigte denn auch: Die erwarteten Gewinne von Grünen und GLP gehen nicht auf Kosten von anderen Parteien, sondern sind zusätzliche Stimmen von jenen Nichtwählenden. Und diese wohnen häufiger in städtischen Gemeinden.

Wahlbarometer Wahlen 2019
Das Abschneiden der Parteien bei den letzten Wahlen und im Wahlbarometer für die Wahlen 2019 im zeitlichen Verlauf. - Sotomo/SRG
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