Chandru Somasundaram will für die SP in den Berner Grossrat. Im Gastbeitrag erklärt er, was ihn am «Stadt-Land-Graben» stört.
Chandru Somasundaram
Chandru Somasundaram will in den Grossen Rat des Kanton Bern. - zvg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Am 27. März wählt der Kanton Bern sein neues Parlament.
  • Auch Chandru Somasundaram (SP) stellt sich dann zur Wahl.
  • Im Gastbeitrag schreibt er über die Profiteure des Stadt-Land-Grabens.

Viel wurde in den letzten Monaten über die politischen Uneinigkeiten zwischen Land und Stadt geschrieben. Insbesondere fragten Expert*innen und Berichterstatter*innen nach der Existenz des Stadt-Land-Grabens in der Schweiz. Fällt der Blick nach einer Volksabstimmung auf die Abstimmungslandkarte werden die Differenzen zwischen den rot beziehungsweise grün gefärbten Kantonen deutlich.

«Bei 14 der 22 Abstimmungen der aktuellen Legislatur hat sich eine Stadt-Land-Differenz geöffnet», so die Forschungsstelle Sotomo (Stadt-Land-Monitor, Dezember 2021). Jedoch zählte sich bei dieser Umfrage nur ein Viertel der Befragten zur Landbevölkerung und ein Fünftel zur Stadt. Die grosse Mehrheit lebt in Kleinstädten oder in der Agglo, mal stimmen sie mit den grossen Städten, mal mit dem Land. In den letzten 20 Jahren waren sich Stadt und Land sogar in über 70 Prozent aller Entscheide einig. Von einem Konflikt kann keine Rede sein, wohl eher von demokratischen Meinungsunterschieden.

Alles nur Kalkül?

Dennoch wird in regelmässigen Abständen und so gut wie bei jedem Wahlkampf der angebliche Konflikt aufgegriffen. Auffällig oft bedient ihn die rechte Seite. Den Höhepunkt setzte SVP-Chef Chiesa, als er in einem Wahlkampfvideo über die «Luxus-Linken» in den «Schmarotzer-Städten» schimpfte.

Das Ganze hat Kalkül und fügt sich in die Wahlkampfstrategie der SVP ein: Die Partei inszeniert sich als Vorkämpferin gegen eine vermeintliche Übermacht in den Städten. Dass bei Abstimmungen in den meisten Fällen gerade die grossen Städte überstimmt werden, sei hier nur am Rande erwähnt.

Chandru Somasundaram (SP)
Chandru Somasundaram an einer SP-Veranstaltung. - zvg

Aus «Land gegen Stadt» wird ein «wir gegen das Establishment». Diese Umdeutung ist perfide, insbesondere wenn die Bevölkerungsstruktur der Städte genauer betrachtet wird: Laut Bundesamt für Statistik leben die Menschen in der Stadt im Vergleich zum Land in kleineren Wohnungen. Dazu kommen noch steigende Mieten, die vielen Menschen in der Stadt Sorgen bereiten.

Es ist also nicht irgendein linker Lifestyle der in den Städten zu der aktuellen politischen Zusammensetzung führt, sondern das Interesse an nicht überbordenden Lebenshaltungskosten. Dieses Interesse teilen sich die Menschen in Stadt und auf dem Land, darauf sollten wir viel mehr achten.

Ängste werden geschürt

Der inszenierte Vorwurf der übermächtigen linken Städte lenkt von den Gemeinsamkeiten ab und schürt Ängste auf dem Land. Es wird behauptet, das Land müsse einen ominösen Lifestyle in den Städten mitfinanzieren oder der eigene Lebensstil sei in Gefahr.

Zum einen stellt diese Strategie einen direkten Angriff gegen die arbeitende Bevölkerung der Städte dar, da es das Interesse der Büezer*innen an günstigen Mieten oder an einem guten ÖV-Angebot delegitimiert. Zum anderen versucht die SVP eine neue Legitimationsbasis unter den Wählenden zu etablieren.

Chandru Somasundaram (SP)
Chandru Somasundaram (SP) kandidiert für den Grossrat Bern. - zvg

Nachdem die Themenhoheit über Migrations- und Europapolitik verloren gegangen sind, braucht es einen neuen Konflikt, der beackert werden kann. Für den Kanton Bern ist ein solches Vorgehen kontraproduktiv. Es sind doch gerade die gemeinsamen Stärken auf dem Land und in der Stadt, die uns ausmachen und vorwärtsbringen.

Übrigens, verschwanden oder verblassten auch andere politischen Differenzen mit der Zeit. Der Graben zwischen Reformierten und Katholiken verschwand, selbst der Röstigraben wird nur noch selten erwähnt. Gehen wir den Spaltern, die vor allem ihre eigenen Interessen im Sinn haben, nicht auf den Leim. Wählen wir am 27. März nicht aus Furcht, sondern aus demokratischer Überzeugung.

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