Können überzeugte Konservative die Ehe für alle befürworten? Natürlich, findet Servan Grüninger.
Zwei Eheringe auf einer Regenbogenzeichnung
Die methodistische Kirche in Grossbritannien will künftig gleichgeschlechtliche Eheschliessungen zulassen. (Symbolbild) - keystone

Das Konservative will bewahren. Es respektiert das historisch Gewachsene, würdigt Traditionen und trägt sie in die Zukunft. Wer konservativ sein will, muss also auch vorausschauend handeln. Denn das zu Bewahrende darf dabei nicht nur im verklärenden Licht der Vergangenheit wertvoll erscheinen, sondern muss auch in der Gegenwart überzeugen.

Dabei muss unterschieden werden zwischen dem zeitlosen Kern einer Tradition und den sich wandelnden Hüllen drumherum. Wer bloss kernlose Hüllen bewahrt, hält Traditionen nicht lebendig, sondern verwandelt sie in Museumsstücke.

Die Ehe ist weit davon entfernt, zum Museumsstück zu werden. Auch im 21. Jahrhundert wollen viele Menschen heiraten und sich das Versprechen geben, gemeinsam durchs Leben zu gehen. Dennoch laufen wir bei der Institution Ehe Gefahr, den eigentlichen Kern zu vergessen.

Die Ehe macht aus zwei Individuen eine Lebensgemeinschaft, die über reine Zweckmässigkeit hinausgeht. Sie ist in ihrem Kern ein offenes und offizielles Bekenntnis zum eigenen Lebenspartner und schafft damit ein Fundament unserer Gesellschaft.

Für viele ist aber auch das Geschlechterverhältnis der Eheleute ein wichtiges Merkmal dieser Institution. Sie sehen in der Ehe die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau – und nicht von Mann und Mann oder Frau und Frau. Eine Haltung, die sich auch in der gesetzlichen Realität der Schweiz wiederspiegelt. Verteidigt wird diese Haltung zuweilen mit natürlichen Eigenschaften – zum Beispiel der Fähigkeit, Kinder zu zeugen – oder auch religiösen Normen.

Nun haben aber längst nicht alle heterosexuellen Ehepaare in der Kirche geheiratet und auch Kinder können nicht alle zeugen. Und dennoch gelten diese kinderlosen und unreligiösen Verheirateten in den Augen der Gesellschaft als Eheleute und nicht bloss als «Verpartnerte». Wer nicht einen wesentlichen Teil der heterosexuellen Paare von der Ehe ausschliessen möchte, muss also einsehen, dass die geschlechtlichen Eigenschaften der Eheleute nur die Hülle und eben nicht den Kern der Ehe ausmachen.

Die Diskussion um die eheliche Geschlechterquote versperrt deshalb den Blick für das Wesentliche der Ehe: Das Bekenntnis zur Lebenspartnerin und das Versprechen, füreinander da zu sein – durch alle Höhen und Tiefen hindurch. Welches andere Merkmal gibt es, mit dem man den Kern der Ehe umfassen kann, ohne damit neben den homosexuellen Paaren auch eine grosse Zahl von heterosexuellen Paaren auszuschliessen?

Die Ehe ist die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zweier Liebenden. Gerade aus konservativer Sicht darf man sich freuen, wenn diese Gemeinschaft auch von jenen Mitgliedern unserer Gesellschaft angestrebt wird, die nicht dem traditionellen Bild zweier Liebenden entsprechen: Von schwulen und lesbischen Menschen, die sich ebenfalls lieben und sich ebenfalls versprechen, gemeinsam durchs Leben zu gehen.

Die Institution der Ehe ist es wert, bewahrt zu werden – und zwar für alle Menschen.

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