Männliche Cheerleader sorgen in NFL für Rote Köpfe
Hast du gewusst, dass Ronald Reagan und George W. Bush in ihrer Universitätszeit Cheerleader waren? Eine Kolumne über Klischees von Verena Brunschweiger.

Das Wichtigste in Kürze
- Dr. Verena E. Brunschweiger schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen.
- Heute schreibt sie über Klischees, homophobe Beleidigungen und Diskriminierung.
Sind Box-Trainings nur für Buben und der Unterricht in Reiten oder Ballett nur für Mädchen? Solche Klischees sind angeblich ja überwunden.
Angesichts des allgemeinen Backlashs muss man aber aufpassen, dass nicht auch noch im Sport tot geglaubten Konzepten neues Leben eingehaucht wird.
Ein mir bekannter Profi-Balletttänzer ist heterosexuell. Er wird aber immer wieder gefragt, ob er schwul wäre. Der Tänzer selbst lacht darüber. Aber warum hält sich beispielsweise das Klischee so hartnäckig, dass alle Tänzer gay wären? Warum wird Fussball spielenden Mädchen und Frauen oft ganz automatisch «unterstellt», sie wären lesbisch?
Und natürlich noch viel gefährlicher: Warum wird dieses «Argument» benutzt, um Teenager oder Kinder von der Sportart abzuhalten, die sie gerne ausüben würden?

Am Weltsuizidpräventionstag am 11. September wurde eine Statistik veröffentlicht. Diese zeigte wieder einmal, dass LGBT-Jugendliche eine deutlich höhere Rate haben, was suizidale Gedanken oder Taten betrifft.
Wie die Autoren betonen, ist das Problem nicht, dass die Teenager queer sind, sondern dass im Rahmen des aktuellen Rechtsrucks die Stimmen wieder lauter, mehr und aggressiver werden, die Stimmung gegen sie machen.
Dass sie so oft diskriminiert, attackiert oder abgelehnt werden, macht den meist jungen Opfern zu schaffen. Manchmal so sehr, dass sie sich sogar umbringen.
Männliche Cheerleader bei den Minnesota Vikings
Die American-Football-Mannschaft Minnesota Vikings stellt im August 2025 mit Blaize Shiek und Louie Conn ihre ersten männlichen Cheerleader vor.

In den sozialen Medien führt das wie nicht anders zu erwarten zu gemischten Reaktionen.
Es gibt Lob, aber auch Kritik von konservativen Männern, die natürlich gleich wieder mit homophoben Beleidigungen daherkommen. Es gibt sogar Drohungen, deswegen Saison-Tickets zurückzugeben!
Diese Zuschauer wussten vielleicht nicht, dass sogar nicht gerade progressive Präsidenten wie Ronald Reagan und George W. Bush in ihrer Universitätszeit Cheerleader waren; letzterer sogar während seines Abschlussjahres an der Highschool.
Homosexualität als Todsünde bezeichnet
In der NFL ist (genau wie noch immer im Männerfussball vieler Länder!) Queerfeindlichkeit weit verbreitet.
Letztes Jahr war beispielsweise Harrison Butker, der mit seinem Team Kansas City Chiefs die Meisterschaft gewonnen hatte, in den Schlagzeilen, weil er Homosexualität allen Ernstes als Todsünde bezeichnet hatte.
Die Frage ist berechtigt, ob man überhaupt eine von manchen belächelte Sportart braucht, bei der Menschen (m/w/d) verdinglicht werden – und in knappen Outfits herumhüpfen, um andere anzufeuern. Das sei mal dahingestellt.

Football-Fans der Minnesota Vikings reagierten auf jeden Fall, indem sie unter anderem anmerkten, dass American Football selbst (und zahlreiche andere Sportarten/Wettkämpfen, in denen Männer gegeneinander antreten) ja wohl nicht frei wäre von einer gewissen Homoerotik …
Im Cheerleading geht es um Sport, Enthusiasmus und Akrobatik. Das sind genderneutrale Dinge, die allen Menschen offen stehen (sollten).
Aber: Wenn Republikaner (und andere Sexisten) natürlich auf ihrem male privilege/male gaze bestehen und zugeben, dass es für sie beim Cheerleading um Frauen in knappen Röckchen gehen muss, dann sind männliche Cheerleader logischerweise ein Problem.
Wenn man in der Mitte des letzten Jahrhunderts hängen geblieben ist, stellt man sich Cheerleader als Frauen (um die 20 Jahre alt) vor, schlank, mit langen blonden Haaren.
Überraschung: Diversität bedeutet, dass es mittlerweile auch normalgewichtige Leute über zwanzig aus unterschiedlichen ethnischen Gruppen gibt, die Cheerleading betreiben.
Die betroffenen männlichen Athleten der Minnesota Vikings selbst stellten übrigens ebenfalls heraus, dass sie sich durchaus als Vorbilder fühlten.

Queerfeindlicher Kulturkampf
Die ersten männlichen Cheerleader der NFL hatten 2018 die Los Angeles Rams: Napoleon Jinnies und Quinton Peron. Diese schrieben 2019 Geschichte als die ersten Männer, die während des Super Bowls als Cheerleader auftraten.
Die Rams wollen auch in der Saison 2025 mehr männliche Cheerleader bringen, die bei vielen weiblichen und männlichen Fans ohne Komplexe gut ankommen.
Der queerfeindliche Kulturkampf in den USA seit Trumps Wiederwahl richtet sich nun auch gegen die Gruppe der männlichen Cheerleader, die in den letzten Jahren kaum für Aufregung gesorgt hatte.
Denn man will es ja wieder schön, einfach und klischeehaft haben, die Uhren sollen wieder zurückgedreht werden. Frauen hüpfen als schmückendes Beiwerk um die seriösen männlichen Sportler herum. Mädchen machen wieder nur noch Ballett und Reiten – und die Buben kicken und Boxen.
Zur Person: Dr. Verena E. Brunschweiger, Autorin, Aktivistin und Feministin, studierte Deutsch, Englisch und Philosophie/Ethik an der Universität Regensburg. 2019 schlug ihr Manifest «Kinderfrei statt kinderlos» ein und errang internationale Beachtung.
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Für Kinder und Jugendliche ist das Telefon 147 da – auch per Whatsapp und E-Mail oder unter www.147.ch.
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