Nach dem Angriff eines 15-Jährigen auf einen Juden wird klar: Ein extremistischer Online-Sumpf, der sogenannte «Islamogram», trug zur Radikalisierung bei.
Attacke Jude Zürich
Der 15-Jährige, der einen Juden in Zürich mit dem Messer attackiert hat, soll sich in einem Video zum IS bekennen. - Siteintelgroup

Das Wichtigste in Kürze

  • In Zürich wurde Anfang März ein orthodoxer Jude mit einem Messer angegriffen.
  • Der mutmassliche Täter (15) bekannte sich zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
  • Während Monaten radikalisierte sich der Jugendliche im Netz.
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Der 15-jährige Jugendliche, der am 2. März in Zürich einen jüdisch-orthodoxen Mann attackierte, hat sich in Tunesien sowie in Internetforen radikalisiert. Dies sagte der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr heute, Montag.

Die Ermittlungen würden nach wie vor auf Hochtouren laufen, sagte Fehr bei der Präsentation der Zürcher Kriminalstatistik. Einigermassen klar ist mittlerweile, wo sich der Jugendliche radikalisierte. «Es gibt einen starken Tunesien-Bezug», sagte Fehr.

Messerattacke Jude Zürich
Anfang März wurde ein orthodoxer Jude in Zürich angegriffen und schwer verletzt.
Messerangriff Zürich
Beim Angreifer handelte es sich um einen 15-jährigen Muslimen.
Zürich Juden Attacke
Mario Fehr, Regierungspräsident und Sicherheitsdirektor des Kantons Zürich, links, informierte nach der Tat über die Sicherheitslage.
Attacke Jude Zürich
Der 15-Jährige, der einen Juden in Zürich mit dem Messer attackiert hat, soll sich in einem Video zum IS bekennen.

Der Jugendliche habe vier Jahre, zwischen 2017 und 2021, in Tunesien gelebt. Ein weiterer wichtiger Faktor waren die radikalisierenden Internetforen, in denen er sehr viel Zeit verbrachte.

Der «Tages-Anzeiger» berichtet in diesem Zusammenhang vom sogenannten «Islamogram», in dem sich der 15-Jährige bewegte. Diesen Begriff verwenden Fachpersonen für den salafistischen Sumpf in der Online-Welt.

Harmlose Memes vermischen sich mit extremistischen Inhalten

Als Einzelgänger verbrachte der Jugendliche viel Zeit im Internet. In seinem Feed auf der Gamingplattform Discord postete er neben Fussballbildern und Comics auch homophobe, frauenfeindliche und antisemitische Inhalte.

Seine Beiträge, darunter auch gewaltverherrlichende, reichen bis ins Jahr 2022 zurück.

Moustafa Ayad, Sozialwissenschaftler und Extremismusexperte am Institute for Strategic Dialogue in London, forscht zur Bildsprache salafistischer Bewegungen der Generation Z.

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Er habe noch nie einen Attentäter wie jenen in Zürich gesehen, sagt er zur Zeitung. Ihn erstaune, wie «direkt mit dem Online-Ökosystem des Salafismus und der Bilderwelt des Islamograms verknüpft» dieser sei.

Diese Internetwelt könne katastrophale Auswirkung in der Realität haben, wie der Vorfall in Zürich zeige, so Ayad.

Bei der Bildsprache des Islamograms würden sich radikale Inhalte mit Pop- und Internet-Jugendkultur mischen. «Inhalte zum salafistischen Dschihadismus sind von der Game- und Meme-Welt immer nur einen Klick entfernt.»

Online-Islamisten feiern rechtsextreme Anschläge

Er erklärt: «Die Bilder sehen zwar lustig aus, sind aber von Verachtung für Andersdenkende geprägt.»

Zu den Feindbildern dieser islamistischen Inhalte gehörten Juden, LGBTQI-Personen sowie politisch und religiös Gemässigte. Diese Feindbilder unterschieden sich nicht von der rechtsextremen Bewegung. Rechtsextreme Anschläge, etwa auf Synagogen, würden in der Islamogram-Welt denn auch gefeiert.

Autokonvoi IS
Terrorgruppe im Bereich Islamismus: Autokonvoi des IS. (Archivbild). - Keystone

Ein Teil dieser radikalen und gewaltverherrlichenden Community seien dabei klare Unterstützer des Islamischen Staates (IS). Die Islamisten rekrutieren so Teenager mit radikalen Memes und Comics.

Algorithmen fördern extremistische Inhalte

Doch nicht nur die Inhalte selbst sind problematisch: Auch die Algorithmen der Techkonzerne tragen zur Verbreitung bei. Sie machen extreme Inhalte sichtbarer und verbreiten sie weiter. Oft auch weil sie harmlose nicht von gewaltverherrlichenden Inhalten unterscheiden könnten.

Trotz der starken Online-Präsenz spiele Experten zufolge auch das reale Leben eine Rolle bei der Radikalisierung junger Menschen.

Über die Kontakte des Juden-Angreifers in der realen Welt ist allerdings nur wenig bekannt, wie der «Tages-Anzeiger» weiter berichtet. Er hatte kurzzeitig Kontakt zu einer Jugendgruppe einer Moschee und lebte vier Jahre lang in Tunesien.

Der 15-jährige Schweizer mit tunesischem Migrationshintergrund sitzt bis auf Weiteres in Untersuchungshaft. Am Abend des 2. März hatte er einen 50-jährigen Juden mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. In einem Video in arabischer Sprache bekannte sich der Teenager zum IS.

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