Der Angriff eines 15-Jährigen auf einen Juden am Samstag in Zürich bewegt die Schweiz. Ein Extremismus-Experte ordnet die Radikalisierung von Jugendlichen ein.
Attacke Jude Zürich
Der 15-Jährige, der einen Juden in Zürich mit dem Messer attackiert hat, soll sich in einem Video zum IS bekennen. - Siteintelgroup

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Messerattacke eines Teenagers auf einen Juden in Zürich wirft Fragen auf.
  • Der Junge hatte sich vor der Tat zum Islamischen Staat bekannt.
  • Experte Nicolas Stockhammer erklärt, dass Radikalisierung on- und offline stattfindet.
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Am Samstagabend wurde ein orthodoxer jüdischer Mann in Zürich von einem Jugendlichen mit einem Messer angegriffen. Und dabei lebensbedrohlich verletzt. Inzwischen ist ein vermeintliches Bekenner-Video des 15-Jährigen aufgetaucht, in dem er sich zum Islamischen Staat (IS) bekennt.

Der Schweizer mit tunesischen Wurzeln rief gar zu weiteren Taten auf. Der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr nannte die Attacke einen «Terroranschlag» – und fordert, dass der Jugendliche ausgebürgert wird.

Besonders das junge Alter des mutmasslichen Täters schockiert die Öffentlichkeit. Wie kann es dazu kommen, dass Jugendliche bereits zu solchen Gewaltakten fähig sind?

Messerangriff Zürich
Beim Angreifer handelte es sich um einen 15-jährigen Muslimen.
Stadtpolizei Messerangriff
Bei dem Opfer soll es sich um einen orthodoxen Juden handeln – die Polizei wollte aber keine Angaben zur Identität des Opfers machen.

«Wir beobachten derzeit leider ein Phänomen, dass sich immer Jüngere – zumeist Burschen – immer schneller radikalisieren.» Das sagt der österreichische Terrorexperte Nicolas Stockhammer auf Anfrage.

Und erklärt: «Sinnsuchende Jugendliche wenden sich kurzfristig – gleichermassen im islamistischen als auch rechtsextremistischen Phänomenbereich – einschlägiger extremistischer Online-Propaganda zu. Konsumieren entsprechende gewaltorientierte Botschaften und verbreiten diese Narrative, die zumeist Versatzstücke von extremistischen Ideologien sind, wiederum an Gleichgesinnte.»

So entstehe eine «extremistische Spirale». Die Radikalisierung finde sowohl im echten Leben, als auch im Internet statt. Unterstützer würden versuchen, die Wut von Jungen zu «kanalisieren» und sie damit auch zu Gewalt aufzuhetzen. Die Gewaltbereitschaft steige auch aufgrund des aktuellen Kriegs in Gaza.

Eine Mitschülerin des 15-jährigen Zürcher Messerstechers sagte denn gestern auch über ihn: «Er war komisch, vertrieb sich die Zeit auch auf merkwürdigen Reddit-Gruppen.»

«Strukturell in beiden Lebenswelten ansetzen»

Was also tun, damit Junge nicht radikalisiert werden? Zur Prävention der Radikalisierung gelte es, sowohl in der virtuellen als auch in der realen Welt anzusetzen, so Stockhammer. Im Internet müssten extremistische Botschaften, etwa von Hasspredigern, entfernt werden. Fake-News gelte es durch Gegen-Narrative aufzudecken.

Ist es möglich, gegen die aktuelle Radikalisierung von Jugendlichen vorzugehen?

«In der realen Welt muss an mehreren Ebenen angesetzt werden – im schulischen Umfeld, im Sportverein, bei der Familie … Dies ist nicht immer einfach, da viele in segregierten Communitys leben und nicht zugänglich für Präventionsansprachen sind», führt Nicolas Stockhammer aus.

Es müsse Jugendlichen eine alternative Perspektive zu Gewalt und Hass gegeben werden.

Bedrohungslage in Europa erhöht

Die aktuelle Radikalisierung nimmt in ganz Europa zu. Stockhammer erklärt, weshalb: «Wesentliche Treiber des islamistischen Extremismus sind der grassierende Nahostkonflikt und das Erstarken des afghanischen IS-Ablegers IS-PK, der zusehends Ambitionen entwickelt, in Europa Terrorakte umzusetzen beziehungsweise verüben zu lassen.»

Zudem seien online immer mehr extremistische Inhalte einfach zu finden. Der ständige Austausch und die Schnelllebigkeit der Online-Medien unterstützten diese Entwicklung weiter.

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