Die Schweiz wurde beim EU-Forschungsprogramm Horizon aussen vor gelassen. Der Bundesrat will betroffenen Projekten jetzt selbst helfen.
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Bundesrat Guy Parmelin, Vorsitzender für Wirtschaft, Bildung und Forschung in der Schweiz. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz wurde vom EU-Forschungsprogramm Horizon ausgeschlossen.
  • Verhandlungen über eine weitere Teilnahme seien zurzeit nicht möglich.
  • Der Nationalfonds soll betroffenen Forschenden jetzt unter die Arme greifen.

Laut dem Bundesrat sind Verhandlungen mit der EU über die Teilnahme der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon «zurzeit nicht möglich». Deshalb brauche es Übergangslösungen für Schweizer Forschende. In die Bresche springen soll beispielsweise der Nationalfonds.

Schweiz neu als Drittland klassifiziert

Schweizer Forscherinnen und Forscher sowie Schweizer Unternehmen können heute europäische Projekte nicht mehr koordinieren, weil die Schweiz von der EU als Drittland eingestuft worden ist.

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In einem offenen Brief forderten europäische Forschungsinstitutionen und -netzwerke eine volle Assoziierung der Schweiz an das EU-Forschungsprogramm Horizon Europe. Wegen des Abbruchs der Verhandlungen zum Rahmenabkommen ist die Schweiz aktuell nicht am EU-Programm beteiligt. (Symbolbild) - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Die Forschung kann keine Fördermittel vom Europäischen Forschungsrat mehr erhalten, und auch die Beteiligung der KMU ist gefährdet. Ausgeschlossen sind Einzelprojekte. Dazu gehörten auch prestigeträchtige Stipendien.

Ziel des Bundesrats bleibt weiter die volle Assoziierung an Horizon Europe zum frühestmöglichen Zeitpunkt, wie Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Freitag vor den Medien in Bern sagte. «Das wäre im Interesse der Schweiz und der EU.» Wenn ein positives Signal aus Brüssel komme, sei der Bundesrat bereit.

Verhandlungen aktuell unmöglich

Ein schneller Durchbruch ist aber unwahrscheinlich: Die Frage einer Assoziierung der Schweiz werde seitens der EU «im Lichte der Gesamtbeziehungen Schweiz-EU gesehen», schreibt der Bundesrat. Verhandlungen seien zurzeit nicht möglich.

Coronavirus
Schweizer Forscher werden sich noch lange mit dem Coronavirus und der Pandemie beschäftigen. (Symbolbild) - pixabay

Deshalb hat die Landesregierung die Einleitung von Übergangslösungen beschlossen für Forschende, die bei EU-Ausschreibungen nicht eingabeberechtigt sind. Konkret sollen sich Betroffene beim Schweizerischen Nationalfonds (SNF), bei der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung (Innosuisse), bei der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und weiteren Akteuren melden können.

Diese sollen selber Ausschreibungen tätigen, die sich «soweit wie möglich an den europäischen Ausschreibungen orientieren», wie es in der Mitteilung heisst. Die Eingabefristen für Projekte sollen aber selbst bestimmt werden können.

Guy Parmelin
Bundespräsident Guy Parmelin. (Archivbild) - Keystone

«Wir wollen den Drittlandstatus dort abfedern, wo Forschende keinen Zugang mehr haben», sagte Parmelin. Die finanziellen Mittel sollen in solchen Fällen direkt vom Bund statt von der EU kommen.

Martina Hirayama, Staatssekretärin für Bildung, Forschung und Innovation, sprach von einem Betrag in Höhe von 290 Millionen Franken. Der Bundesrat wird dem Parlament den Kredit mit einer Nachmeldung zum Voranschlag 2022 in der kommenden Wintersession unterbreiten, wie Parmelin sagte. Das letzte Wort haben also die eidgenössischen Räte.

Forschungspartner: Japan oder USA statt EU?

Falls die Situation mit der EU verhärtet bleibt, prüft der Bundesrat mittel- und langfristige Massnahmen, wie Parmelin sagte. Dabei sprach er auch Alternativen ausserhalb von Europa an: Insbesondere Japan und die USA zeigten «immer wieder Interesse an unserem Forschungs- und Bildungssystem». Es sei zu prüfen, wo der Ausbau bestehender oder der Abschluss neuer Abkommen möglich sei. «Es ist falsch, zu meinen: 'Es gibt Horizon und sonst nichts'.»

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EU-Flagge und Schweizer-Flagge (Symbolbild) - Keystone

Laut Parmelin würde die Freigabe der Kohäsionsmilliarde den Start den Verhandlungen «wohl begünstigen». Es gebe aber keinen direkten Link zwischen den beiden Dossiers. Das Parlament wird das Geschäft voraussichtlich erst in der Wintersession zu Ende beraten. Eine schnellere Freigabe ist derzeit nicht wahrscheinlich.

Parmelin gab zu bedenken, dass sich auch Forschende im Status eines nicht assoziierten Drittlandes an den meisten Horizon-Verbundprojekten beteiligen könnten. Rund zwei Drittel des Programms seien zugänglich.

Das internationale Forscherteam wurde vom Naturhistorischen Museum in Bern unterstützt (Symbolbild).
Das internationale Forscherteam wurde vom Naturhistorischen Museum in Bern unterstützt (Symbolbild). - Keystone

Finanziert werden solche Projekte aber nicht von der Europäischen Kommission, sondern vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Das Geld dafür - insgesamt 6,2 Milliarden Franken für sieben Jahre - hat das Parlament im Rahmen der Horizon-Botschaft 2021-2027 bereits gesprochen. Im Oktober wird der Bundesrat nach eigenen Angaben über mittelfristige Ersatzmassnahmen entscheiden. Finanzielle Folgen für den Bund hätten diese keine.

Rahmenabkommen hat Folgen für Forschung

Das Horizon-Europe-Rahmenprogramm dauert von 2021 bis 2027 und ist mit einem Budget von gut 95 Milliarden Euro das weltweit grösste Forschungs- und Innovationsförderprogramm. Die Schweiz war am Vorgängerprogramm Horizon 2020 vollassoziiert. Der Abbruch der Verhandlungen mit der EU um ein institutionelles Rahmenabkommen Ende Mai führte dann dazu, dass die Schweiz in die schlechteste Assoziierungskategorie verbannt wurde.

Die EU-Kommission machte in der Folge die Forschenden in der Schweiz in einem Schreiben darauf aufmerksam, dass sie an eine Universität in der EU wechseln sollten, wollten sie voll von den Vorteilen des EU-Forschungsprogramms profitieren. Der Bund reagierte umgehend: Ein Wechsel an eine Universität in der EU sei nicht nötig, um Fördermittel zu erhalten, schrieb das SBFI.

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