Vier Tessiner Journalisten freigesprochen
Die vier Journalisten, die im Mai 2016 über eine Patientenverwechslung der Klinik St. Anna in Sorengo TI berichtet hatten, sind freigesprochen worden. Das Gericht entschied, dass die Journalisten bloss ihre Aufgabe, die Bevölkerung aufzuklären, wahrgenommen hatten.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Klage gegen vier Journalisten der Tessiner Sonntagszeitung «Il» wurde fallen gelassen.
- Das Gericht hob bei seinem Entscheid die Rolle der Presse als Wachhund für die Gesellschaft hervor.
- Die Journalisten deckten eine Patientenverwechslung auf, wobei einer Frau aus Versehen die Brüste abgenommen wurden.
Im Prozess der Luganeser Privatklinik Sant'Anna gegen vier Journalisten der Tessiner Sonntagszeitung «Il caffè della domenica» hat die Klägerin eine Niederlage erlitten. Das Strafgericht Bellinzona hat die vier Beschuldigten in allen Anklagepunkten freigesprochen.
Richter Siro Quadri hob in seiner Begründung die Rolle der Presse als Wachhund für die Demokratie hervor: «Für einen Wachhund ist es besser, wenn er zuviel bellt, als dass er überhaupt nicht bellt».
«Eine Zeitung kann eine Nachricht publizieren, wenn das Thema für die Öffentlichkeit bedeutsam ist, wenn das Recht auf Gegendarstellung gegeben ist, wenn die Quellen verifiziert sind und das Thema danach drängt, veröffentlicht zu werden» führte Quadri aus.

In diesem Fall seien alle Gründe gegeben gewesen. «Dass in einer schweizerischen Klinik heutzutage eine Patientin verwechselt wird, ist schwerwiegend, um nicht zu sagen grotesk.» Die Leser des «Caffé» seien über wichtige offene Fragen orientiert worden, die Journalisten hätten die gegeben Fakten nicht übertrieben, sondern hätten aus den vorhandenen Tatsachen Schlüsse gezogen.
Keine Geschäftsschädigung
Auch vom Vorwurf der Geschäftsschädigung wurden die Journalisten freigesprochen. Wenn die die Geschäftsschädigung betreffende Gesetzgebung im Medienbereich nicht restriktiv angewendet würde, käme man aus den Prozessen nicht mehr heraus, so Quadri.
Patientin wurde aus Versehen Brüste abgenommen
Hintergrund des Prozesses ist ein schwerer Arztfehler in der Klinik St. Anna in Sorengo TI, die zum Genolier-Swiss-Medical-Network (GSMN) gehört. Diese ist wiederum ein Teil der Aevis Victoria-Gruppe. Das Sonntagsmagazin hatte aufgedeckt, dass im Juli 2014 einer 67-jährigen Patientin bei einer Operation beide Brüste vollständig entfernt worden waren, obwohl sie nur an einem kleinen Tumor unter einer Brustwarze litt. Die Patientin wurde informiert, dass der Eingriff nötig gewesen sei.
Erst nachdem sie sich an die Aufsichtskommission gewandt hatte, erfuhr sie die Tatsachen. Die Klinik musste zugeben, dass Patientinnen im Operationssaal verwechselt wurden. Der Chirurg wurde von seinen Aufgaben entbunden.
