Umstrittene Importe: Wie schädlich sind Trumps Chlor-Hühner?

Simon Ulrich
Simon Ulrich

Bern,

Der Bundesrat zeigt sich offen für Importe von chemisch behandelten Poulets. Gesundheitlich gilt das Fleisch als unbedenklich – doch das Vertrauen fehlt.

Chlorhuhn
Kommt jetzt das Chlorhuhn? Wirtschaftsminister Parmelin signalisiert Verhandlungsbereitschaft hinsichtlich einer Lockerung des Importverbots. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Rahmen des US-Zolldeals machte die Schweiz Konzessionen bei den Fleischimporten.
  • Künftig könnte auch chlorbehandeltes US-Geflügel eingeführt werden.
  • Studien halten Chlorhuhn für gesundheitlich unbedenklich – doch offene Fragen bleiben.

15 statt 39 Prozent: Zum Ende der letzten Woche konnte die Schweiz Trumps Zollhammer doch noch herunterhandeln. Damit ist sie nun gleich gut oder schlecht gestellt wie die EU.

Für den Deal musste der Bund allerdings einige Zugeständnisse machen. Dazu zählt, dass er den USA zollfreie Kontingente für Fleischexporte in die Schweiz gewährt: Für Rindfleisch gilt ein Umfang von 500 Tonnen, für Bisonfleisch 1000 Tonnen und für Geflügelfleisch 1500 Tonnen.

Bundesrat signalisiert Offenheit für Chlorhuhn-Importe

Damit erhält auch die Debatte um das «Chlorhuhn» neuen Auftrieb. In den USA ist es gängige Praxis, geschlachtete Hühner in chlorhaltigen Lösungen zu desinfizieren. In der Schweiz und der EU ist dies verboten beziehungsweise bewilligungspflichtig – und damit auch der Import solcher Poulets.

Doch das könnte sich jetzt ändern: Die Landesregierung zieht in Erwägung, das Importverbot zu lockern. «Ja, wir werden darüber verhandeln», kündigte Bundesrat Guy Parmelin im Interview mit der «Sonntagszeitung» an.

Der Wirtschaftsminister erklärte weiter: «Vielleicht kommen wir am Ende zu einer ähnlichen Lösung wie bei hormonbehandeltem Rindfleisch, das mit einem Etikett gekennzeichnet sein muss. So kann der Verbraucher selbst entscheiden, was er kaufen will.»

Dabei steht es ausgesprochen schlecht um das Image der Chlorhühner in der Schweizer Bevölkerung. Das zeigt sich auch jetzt wieder: «Chlor gehört ins Putzmittel, nicht auf unseren Teller!», heisst eine Petition, die kurz nach der Zoll-Vereinbarung lanciert wurde. Die Initianten fordern den Bundesrat auf, kein chlorbehandeltes Fleisch zu importieren.

Auch wenn es sich um vergleichsweise kleine Mengen handelt, die künftig eingeführt werden könnten, stellt sich also die Frage: Sind Chlorhühner tatsächlich so schlecht wie ihr Ruf? Und wie wirkt sich die chemische Endbehandlung von Pouletfleisch auf die Lebensmittelsicherheit aus?

Fachleute geben gesundheitlich Entwarnung

Die gute Nachricht: Aus toxikologischen Gesichtspunkten ist die fehlende Akzeptanz in der Bevölkerung unbegründet. Diverse Studien kamen in den letzten Jahren zum Schluss, dass der Verzehr chlorbehandelter Hühnchen gesundheitlich unbedenklich ist. Darunter mehrere Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).

Würdest du ein Poulet essen, das zuvor mit Chlor behandelt wurde?

Auch Sarah Camenisch vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV bestätigt: «Die Oberflächendesinfektion von tierischen Lebensmitteln mit einer Chlorlösung ist gemäss aktuellem wissenschaftlichen Kenntnisstand für die Gesundheit ungefährlich.»

Es braucht mehr Daten zur Resistenzbildung

Dennoch hat die EFSA eine Zulassung chlorierter Poulets bislang nicht unterstützt. Laut Roger Stephan vom Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich hat das vor allem zwei Gründe:

«Einerseits lagen für eine fundierte Risikoabschätzung zu wenig Daten vor, was die Entstehung oder Förderung von Resistenzen betrifft. Zum anderen konnten die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt, vor allem auf Oberflächengewässer und Böden, nicht abschliessend beurteilt werden.»

Roger Stephan
Roger Stephan ist Direktor des Instituts für Lebensmittelsicherheit und -hygiene der Universität Zürich. - Universität Zürich

Gerade was die Selektion bestimmter Resistenzen betrifft, seien die Daten bis heute «relativ spärlich», moniert Stephan.

Vor allem aber sei das Chlorbad kein Ersatz für einen durchgehend hygienischen Schlachtprozess. Eine mangelhaft durchgeführte Schlachtung, mahnt er, dürfe nicht im Nachhinein mit chemischen Massnahmen «zurechtgerückt werden».

Zumal Chlor die Keimbelastung zwar deutlich reduziert, aber eben nicht vollständig eliminiert. «Von 10'000 Bakterien pro Quadratzentimeter bleiben nach der Behandlung noch immer zwischen 100 und 1000 übrig», erklärt Stephan. Entscheidend sei deshalb die saubere Schlachtung – nicht die nachträgliche Desinfektion.

Konsumentenschutz fordert Deklarationspflicht

Für die Konsumentinnen und Konsumenten ist laut dem Lebensmittelhygieniker vor allem die Transparenz zentral. Was den Gesundheitsschutz anbelangt, könne man sich auf die Risikobewertungen grosser Fachinstitute wie der EFSA verlassen.

Wusstest du, dass Schlachthühner in den USA in Chlor getaucht werden?

Zugleich solle aber jeder selbst entscheiden können, ob er ein Produkt kaufen wolle, das chemisch behandelt wurde. Und dafür brauche es eine klare Kennzeichnung auf der Verpackung.

Genau das fordert auch Sara Stalder vom Konsumentenschutz: «Wir verlangen vom Bundesrat, dass nicht nur wie bisher Hormonfleisch deklariert werden muss. Sondern auch für die Chlorhühner eine Deklarationspflicht vorgesehen wird.»

Damit dürfte sie einen Nerv treffen. Rindfleisch aus den USA darf hierzulande schon verkauft werden – aber nur mit einem klaren Etikett. Darauf steht, dass das Fleisch Hormone enthalten kann. Kunden warnen drum schon auf der Plattform Reddit: «Lest das Etikett sorgfältig.»

Kommentare

User #5139 (nicht angemeldet)

Die Schweiz in der Zange der EU und der USA ...... werden wir nun euroamerikanisiert?

User #5373 (nicht angemeldet)

Wenn wir das Rahmenabkommen annehmen, wird die USA dann bald direkt mit der EU verhandeln, was bei uns in der Schweiz auf den Teller kommt.

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