Überparteiliche Allianz tritt gegen obligatorischen Bürgerdienst an
Fünf Parteien und der Arbeitgeberverband lehnen die Service-citoyen-Initiative wegen Schäden für Wirtschaft, Armee und Freiwilligkeit ab.

Eine Bürgerdienst-Pflicht schade der Wirtschaft, der Armee und auch der echten Freiwilligkeit. Mit diesen Argumenten treten Vertreterinnen und Vertreter von fünf Parteien und des Arbeitgeberverbandes gegen die Service-citoyen-Initiative an.
Die Initiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» fordert einen obligatorischen Bürgerdienst für alle, für Allgemeinheit und Umwelt. Das kann ein Dienst bei Armee oder Zivilschutz sein oder ein gleichwertiger, anerkannter Milizdienst. Darüber abgestimmt wird am 30. November.
In den Augen eines breit aufgestellten Gegenkomitees, in dem sich SVP, SP, Mitte, FDP und die Grünen sowie der Arbeitgeberverband engagieren, schadet die Initiative der Wirtschaft und der Armee. Ebenso untergrabe sie das freiwillige Engagement. Zudem würden weit mehr Menschen rekrutiert, als für die Sicherheit nötig sei.
In den Worten des Berner Mitte-Nationalrats Reto Nause ist die Initiative ungenau formuliert. Zunächst sei von einem Einsatz als Militärdienst oder einem anderen anerkannten Milizdienst die Rede, sagte er am Dienstag in Bern vor den Medien.
Widerspruch in Wehrpflicht-Regelung
Mit dem Wort «oder» werde die Wehrpflicht aufgehoben, sagte Nause. Im nächsten Absatz werde dann aber verlangt, dass der Sollbestand für die Armee und den Zivilschutz garantiert sein müsse. Das sei ein Widerspruch.
Indem die Wehrpflicht zugunsten von Zielen, die mit der Sicherheit nichts zu tun hätten, aufgeweicht werde, würde es komplizierter, ausreichend Personal für die Armee und den Zivilschutz zu rekrutieren, fügte Nationalrat Jean-Luc Addor (SVP/VS) hinzu. «Die Risiken für die Armee und damit die Sicherheit wären enorm.»
Nationalrat Heinz Theiler (FDP/SZ) bemängelte, dass die Initiative zentrale Punkte offen lasse – sie müssten erst im Gesetz geregelt werden. Etwa sei unklar, wie lange die Einsätze dauern sollten und was als Dienst zähle. «Das dem Gesetzgeber zu überlassen, interpretieren wir als Ratlosigkeit», sagte er.
Auch der Arbeitgeberverband wehrt sich gegen den Bürgerdienst. «Doppelt so viele Menschen wie heute würden dem Arbeitsmarkt entzogen, ohne Nutzen für die Sicherheit», sagte Präsident Severin Moser. Höhere Kosten für den Erwerbsersatz und für die Militärversicherung seien die Folgen davon.
Schweizer Unternehmen unter Druck
Die Schweizer Unternehmen seien bereits unter Druck, sagte Moser und nannte den Mangel an Fachkräften, Lohnkosten, Zölle und den starken Franken. Ein Bürgerdienst könnte zudem den freien Markt und die in entsprechenden Branchen tätigen Betriebe konkurrenzieren.
Moser warb angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage um Verständnis der Arbeitgeber für den Dienst in der Armee. Einen entsprechenden Aufruf an die Wirtschaft hatte er vergangene Woche zusammen mit Armeechef Thomas Süssli lanciert. «Für einen x-beliebigen Einsatz ist das aber nicht gegeben», hielt er fest.
«Echte Gleichstellung bedeutet mehr als gleiche Pflichten auferlegen», griff Nationalrätin Andrea Zryd (SP/BE) einen weiteren Aspekt der Initiative auf. Frauen würden wie die Männer zum Dienst gezwungen, und das, obwohl sie einen Grossteil der unbezahlten Care-Arbeit leisteten und öfter für tiefe Löhne arbeiteten.
Zryd gab zu bedenken, dass etwa in der Pflege die professionelle Arbeit abgewertet werden und es zu Lohndumping kommen könnte. Fachleute in Spitälern, Heimen, Schulen und Kindertagesstätten könnten durch Billigarbeitskräfte ersetzt werden. Neu Ausgebildete würden gezwungen, für wenig Geld ausserhalb ihres Berufs zu arbeiten.
Zwangsdienst statt freiwilliges Engagement
Die Service-citoyen-Initiative gebe vor, das bürgerschaftliche Engagement aufzuwerten, kritisierte auch Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli (ZH). Doch ein erzwungener Dienst sei kein Engagement, sondern Zwangsarbeit.
Alle Dienstpflichtigen könnten gemäss dem Initiativtext zum Militär gezwungen werden, auch Frauen, gab Glättli zudem zu bedenken. Der zivile Ersatzdienst werde zugleich abgeschafft, und das widerspreche dem Grundrecht auf Gewissensfreiheit.