In der Schweiz galt bisher: Einer Organspende muss vor dem Tod zugestummen werden. Nun sollen die Regeln bei der Transplantation geändert werden.
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Wer nach seinem Tod seine Organe nicht spenden will, muss dies zu Lebzeiten explizit äussern. (Themenbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Heutzutage muss man in der Schweiz einer Organspende vor dem Tod zustimmen.
  • Nun soll das Gegenteil gelten: Man muss eine Organspende explizit ablehnen.
  • Angehörige dürfen jedoch eine Spende ablehnen.

Wer nach seinem Tod keine Organe spenden möchte, soll dies künftig explizit festhalten müssen. Angehörige sollen aber eine Transplantation ablehnen können. Der Nationalrat hat am Mittwoch der erweiterten Widerspruchslösung im Grundsatz zugestimmt.

Heute gilt in der Schweiz bei der Organspende die Zustimmungslösung: Eine Transplantation kommt nur dann infrage, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Spende zugestimmt hat. Liegt keine Willensäusserung vor, müssen die Angehörigen entscheiden.

Transplantation: Initiative verlangt Veränderung

In der Praxis führt dies oft zu Schwierigkeiten. Seit Jahren wird deshalb über Alternativen diskutiert. Die grosse Kammer setzte sich am letzten Tag der Sondersession mit der Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» auseinander. Auch angeschaut wurde der vom Bundesrat konzipierte indirekte Gegenvorschlag.

Bei der Organspende soll ein Systemwechsel von der derzeit gültigen Lösung der erweiterten expliziten Zustimmung zur engen Widerspruchslösung vollzogen werden. Neu soll grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass eine Person mit der Organspende einverstanden ist. Ist das nicht der Fall, müsste es schriftlich festgehalten werden.

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Wer keine Organe spenden möchte, soll dies zukünftig festhalten müssen. - Keystone

Der Gegenvorschlag des Bundesrats sieht die Ergänzung vor, dass Angehörige auch künftig eine Organspende ablehnen können. In diesem Zusammenhang wird von der erweiterten Widerspruchslösung gesprochen. Findet sich kein dokumentierter Wille, werden wie bisher die Angehörigen befragt. Sie könnten einer Entnahme von Organen widersprechen, wenn dies dem mutmasslichen Willen der verstorbenen Person entspricht.

Mit 154 zu 30 Stimmen bei zwei Enthaltungen stimmte der Nationalrat dem Gegenvorschlag grundsätzlich zu. Kritik kam einzig von einem Teil der SVP-Fraktion. Erich von Siebenthal (SVP/BE) brachte staatspolitische Bedenken vor. Er gab zu bedenken, dass es zu so einer zentralen Frage eine Volksabstimmung brauche.

Bürgerliche wollen einen dritten Weg gehen

Auch von anderen bürgerlichen Ratsmitgliedern gab es kritische Stimmen. Deese wollen bei der Einwilligung in die Organspende einen dritten Weg gehen. Dies hatte die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK) vorgeschlagen. Demnach sollen Personen regelmässig aufgefordert werden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Diese sogenannte Erklärungsregelung, die eine klare Erklärung des Spendewillens beinhaltet, trage dem Selbstbestimmungsrecht am besten Rechnung, sagte Marianne Streiff-Feller (EVP/BE). Die grundsätzlichen Gegner der erweiterten Widerspruchslösung waren schliesslich klar in der Minderheit.

Organspende Widerspruchslösung
Ein Organspenderausweis. - dpa/dpa/picture-alliance/Archiv

Die Befürworter einer Reform verwiesen auch auf das Ausland. Die meisten europäischen Länder kennen heute eine Widerspruchslösung, bei der auch die Angehörigen einbezogen werden. Diese Länder haben alle eine deutlich höhere Spenderate als Deutschland, die Schweiz oder Grossbritannien, wo die Zustimmungslösung gilt.

Transplantation: Nationalrat berät neues Gesetz im Detail

Nach dem grundsätzlichen Ja zum Gegenvorschlag berät der Nationalrat die Änderung des Transplantationsgesetzes nun im Detail. Die zuständige Kommission schlägt verschiedene Präzisierungen vor. So soll in der Vorlage die Möglichkeit einer Zustimmung zur Organspende ausdrücklich erwähnt werden.

Die Voraussetzungen für eine Spende in der Schweiz werden auch mit einem Systemwechsel gleich bleiben wie heute: Organe spenden können nur Personen, die im Spital einen Hirntod infolge Hirnschädigung oder Herz-Kreislauf-Stillstand erleiden. Verstirbt jemand ausserhalb des Spitals, ist eine Organspende nicht möglich.

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