In einem Appell zum Frauenstreik wird die schnelle Revision des Sexualstrafrechts gefordert. Aktuell kommen auch bei einer Anzeige Täter oft ungestraft davon.
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Sexuelle Gewalt wird nur selten angezeigt. (Symbolbild) - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Täter von sexueller Gewalt kommen oftmals ungestraft davon.
  • Grund ist auch ein überholtes Sexualstrafrecht in der Schweiz.
  • Menschen aus Politik und Gesellschaft fordern nun eine schnelle Revision des Gesetzes.

Erst kürzlich offenbarte das Model Anja Leuenberger in ihrem Buch «The Depths of My Soul» Schreckliches. Zweimal wurde sie während ihrer Karriere in der Fashion-Branche vergewaltigt. Auch schockierte kurz darauf die Anklage gegen einen Inhaber einer Zürcher Modelagentur, der Männer-Models sexuell belästigt haben soll.

Anja Leuenberger
Das Schweizer Model Anja Leuenberger, - Instagram Screenshot

Fälle, die aufhorchen lassen. Dabei ist die Problematik seit jeher aktuell. So haben laut einer Studie von gfs.bern aus dem vergangenem Jahr 22 Prozent der Frauen in der Schweiz in ihrem Leben ungewollte sexuelle Handlungen erlebt.

Bei 12 Prozent kam es zu Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen. Doch nur deren 8 Prozent brachten schliesslich die an ihnen begangene sexuelle Gewalt zur Anzeige.

Aber auch dann ist eine Verurteilung der Täter längst nicht gewiss. Ursache dafür ist das Sexualstrafrecht.

Für Verurteilung muss Gewalt im Spiel sein

Damit hierzulande Geschlechtsverkehr oder sexuelle Handlungen gegen den Willen des Opfers strafrechtlich verfolgt werden, muss Gewalt im Spiel sein. Und das selbst dann, wenn es Beweise für die Tat gibt und die Aussagen der Opfer glaubwürdig erscheinen.

Doch laut einer Studie fallen rund 70 Prozent der Opfer sexueller Gewalt in eine sogenannte Schutzstarre. «Wenn das Opfer nicht mehr macht als Nein zu sagen, dann muss der Täter auch nicht nötigen.» Dies erklärte Rechtswissenschaftlerin Nora Scheidegger kürzlich gegenüber «10vor10». «Solche Fälle fallen sozusagen durch die Maschen des Strafrechts.»

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In einem Appell werden wirksame Massnahmen gegen sexuelle Gewalt an Frauen und eine Reform des veralteten Sexualstrafrechts gefordert (Symbolbild) - Keystone

Dieses Strafrecht soll nun überarbeitet werden. Aktuell prüft das Justizdepartement im Auftrag der Rechtskommission des Ständerates die Revision des Sexualstrafrechts. Noch im Sommer soll ein entsprechend überarbeiteter Gesetzestext vorliegen.

Druck aus Politik und Gesellschaft pünktlich zum Jubiläum des Frauenstreik

Druck kommt gleichzeitig auch aus Gesellschaft und Politik. Pünktlich zum Jubiläum des Frauenstreik vom vergangenen Jahr wird ein Appell für ein «zeitgemässes Sexualstrafrecht» lanciert. Dahinter stecken 130 Persönlichkeiten aus Justiz, Politik, Kultur und 55 Organisationen. Lanciert wurde der Appell von Amnesty Schweiz.

Unter den Unterzeichner sind auch Prominente wie Moderatorin Susanne Kunz, Rapper Greis, Model Tamy Glauser und das Musiker-Duo Lo&Leduc.

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Die Berner Musiker Lo&Leduce unterstützen den Appell. - Instagram/loundleduce

Sie rufen zu einer raschen und umfassenden Gesetzesreform auf, um einen besseren Schutz vor sexueller Gewalt garantieren zu können. Sexuelle Handlungen ohne Einwilligungen sollen damit angemessen bestraft werden können.

«Das gegenwärtige Gesetz ist ein Relikt aus einer Zeit, die wir hinter uns lassen wollen», erklärt etwa Mitunterzeichnerin Lisa Mazzone. «Sexuelle Handlungen gegen den Willen des Opfer müssen heute als schweres Delikt anerkannt werden, auch wenn keine Nötigung angewandt wurde.» So fordert es die Grüne Ständerätin aus Genf.

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Auch sexuelle Gewalt war ein Thema am Frauenstreik im letzten Jahr. - Keystone

Und SP-Nationalrätin Tamara Funiciello betont: «Von Sex kann nur geredet werden, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Alles andere ist Gewalt

Derzeit Anzeige oftmals aussichtslos

Doch derzeit müssten Anwälte und Opferhilfestellen den Betroffenen oftmals erklären, dass eine Anzeige aussichtslos sei, heisst es im Appell. Dies «weil nicht ausreichend psychischer Druck, Gewalt oder Bedrohung angewandt wurde und der Fall deshalb nicht in die aktuelle strafrechtliche Definition von Vergewaltigung oder sexueller Nötigung passt».

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