St. Moritz lässt Messie (90) im Chaos hausen
Mitten im noblen St. Moritz wohnt der 90-jährige Adolf Haeberli in einem totalen Chaos. Das Mitleid ist gross.
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Das Wichtigste in Kürze
- Adolf Haeberli bietet SRF-Reporter Donat Hofer einen Einblick in seine Messie-Villa.
- User sind der Meinung, dass der Mann Hilfe braucht.
- Der Gemeindeschreiber von St. Moritz GR sagt, wie es um das Dorforiginal bestellt ist.
Ins Schlafzimmer muss sich Adolf Haeberlis Besuch kämpfen. Ein Meer aus Abfall und alten Zeitungen versperrt den Durchgang durch die Tür. «Seiltänzerische Fähigkeiten» seien nötig, hat Haeberli bereits angekündigt. «Denn drinnen herrscht reines Chaos», warnt er.
Reporter Donat Hofer besucht in der SRF-Serie «Reporter Spezial – Donat auf Achse» den 90-Jährigen in seiner Villa in St. Moritz GR. «Das Chaos haut uns fast um», kommentiert Hofer, begleitet von seinem Team.
Die Berge und Stapel aus Altpapier ziehen sich durch die restlichen Zimmer der baufälligen Villa.

Es habe sich automatisch so ergeben, erklärt Adolf Haeberli das Chaos. Vor allem Zeitungen hortet er. Einige Zeitungen habe er noch lesen wollen, «aber keine Zeit mehr» gehabt, sagt der Rentner. Zum Aufräumen will er bis jetzt «keine Zeit» gehabt haben.
Ordnung im Chaos
Trotzdem behält der Messie den Überblick. Ohne lange zu suchen, zieht er ein Foto seiner Mutter aus einer Schublade, als Hofer ihn danach fragt.
Haeberli berichtet, vor dem Tod seiner Mutter «der ordentlichste Mensch» gewesen zu sein. Doch danach hätten «verschiedene Betrügereien» angefangen, behauptet er.
Dass ein Einwohner des noblen Dorfs St. Moritz im totalen Chaos lebt, löst bei Zuschauerinnen und Zuschauern Mitleid und Unverständnis aus.
«Aufräumaktion» gefordert
Das Chaos sei ein Zeichen des Aufgebens und Alleinseins, schreibt ein User auf Youtube. «Hilfe bei einer verständnisvollen Aufräumaktion wäre eine grosse soziale Geste.» Der Zuschauer hofft, Haeberli bekomme dies noch während seiner Lebenszeit.
Ein User nimmt SRF in die Pflicht. «Ihr vom SRF hättet doch genug Kohle, um diesem ‹Mannli› mal helfen, zu entrümpeln!» Dafür würde er seine TV-Gebühren gerne investieren.
Ähnlich sieht es eine Zuschauerin. «Oh je, eigentlich hätte man dem alten Herrn mal Unterstützung bieten sollen», kommentiert sie auf Youtube.
Gemeindeschreck und Filmprotagonist
Adolf Haeberli ist jedoch alles andere als ein hilfloser Messie, der sich zu Hause verkriecht.
Herausgeputzt erschien das Dorforiginal 2020 im Luxus-Hotel Badrutt's Palace in St. Moritz.
Dort feierte ein Film über ihn Premiere. Dokumentarfilmer Moritz Müller-Preisser porträtierte ihn im Film «Haeberli». Dieser wurde zum Kinohit und erhielt mehrfache Auszeichnungen.
Im noblen Dorf ist Haeberli als Gemeindeschreck bekannt. «Ehren-Wutbürger» nennt ihn Gemeindepräsident Christian Jott Jenny liebevoll. Unermüdlich erfasst Haeberli mit seiner Schreibmaschine seit Jahrzehnten Protestbriefe an die Behörden.

Das Dorforiginal ist überzeugt, Opfer eines Betrugsfalls geworden zu sein. Seinen Anfang nahm der Protest 1968, als sein Haus beim Bau des gegenüberliegenden Parkhauses abrutschte. Seither ist es mit Stahlträgern gesichert und trägt den Übernamen «Villa heb di fescht».
Besorgte Menschen
Ulrich Rechsteiner ist Gemeindeschreiber in St. Moritz und weiss, wie es um das Dorforiginal bestellt ist.
«Herr Haeberli ist der Gemeinde St. Moritz bekannt», sagt Rechsteiner zu Nau.ch.
«Er besucht regelmässig die Gemeindekanzlei und nimmt an Abstimmungen teil.» Zudem sei er oft im Dorf unterwegs.

Immer wieder erkundigen sich laut Rechsteiner Drittpersonen, wie ihm geholfen werden könnte. «Da Herr Haeberli Eigentümer seiner Liegenschaft ist, liegt die Verantwortung dafür bei ihm.»
Eingreifen könne die Gemeinde nur, wenn eine Selbst- oder Fremdgefährdung vorliege. «Im Rahmen ihrer Möglichkeiten behält die Gemeinde die Situation im Auge und bleibt aufmerksam.»
Besorgte Mitarbeitende in St. Moritz
Der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) bestätigt, dass Messie-Hausbesitzer grundsätzlich ungestört in ihrem Chaos hausen dürfen.
«Dabei ist wichtig, dass auf die Rechte und das Eigentum anderer Eigentümer respektive Nachbarn Rücksicht genommen wird.» Dies sagt HEV-Juristin Stéphanie Bartholdi. Auch dürften keine übermässigen Immissionen wie zum Beispiel Lärm, Gerüche, Schädlingsbefall oder Schäden an der Bausubstanz auftreten.
Probleme mit Messie-Mietern
Im Falle von konkreten Gesetzesverstössen haben die Nachbarn die Möglichkeit, beim Friedensrichteramt zu klagen.
Als Beispiel erwähnt die HEV-Juristin einen Verstoss gegen das Nachbarrecht. Dies zum Beispiel aufgrund von Lärm- oder Geruchsbelästigungen oder einem drohenden Einsturz der Liegenschaft.
Zu kämpfen haben die Eigentümer aber vor allem mit Mietern, die im Chaos wohnen. «In der telefonischen Beratung hören wir regelmässig Fälle von Messie-Mietern», sagt Bartholdi. Diese hinterliessen immense Schäden und brächten für andere Mieter in der Liegenschaft grosse Beeinträchtigungen mit sich.