«Schwierige Schwiegertochter»: Hier droht Bauern-Zoff
Wenn die Schwiegertochter auf dem Bauernhof einzieht, drohen Konflikte. Doch das liegt nicht an der Schwiegertochter selbst. Agrarcoach Barbara Eiselen erzählt.

Das Wichtigste in Kürze
- Stösst die Schwiegertochter zur Bauernfamilie, kommt es oft zu Streit.
- Ein Agrarcoach verrät: Die Konflikte schlummern bereits vorher in der Familie.
- Klare Absprachen können bei Konflikten auf Bauernhöfen helfen.
Die Hofübergabe birgt hohes Zoff-Potenzial: Wenn der Sohn den elterlichen Hof übernimmt und seine Frau mit einzieht, prallen oft Tradition und neue Rollenbilder aufeinander.
Mutter und Vater bleiben meist auf dem Hof wohnen. Konflikte sind da fast vorprogrammiert.
Schnell ist eine Schuldige gefunden: die «schwierige Schwiegertochter».
Doch so einfach ist es selten. Das weiss Barbara Eiselen aus eigener Erfahrung.
Die studierte Agronomin ist selbst Bauerntochter und ehemalige Schwiegertochter einer Bauernfamilie. Seit vier Jahren begleitet sie Bauern und Bäuerinnen bei wichtigen Lebensentscheidungen als Agrarcoach.
«Nicht die Schwiegertochter ist das Problem, sondern das Familiensystem», stellt sie im Gespräch mit Nau.ch gleich zu Beginn klar.
Muster werden von Generation zu Generation weitergetragen
Denn Konflikte entstehen selten durch eine einzelne Person. «Die Schwiegertochter kommt aus einem anderen Familiensystem, bringt andere Werte und Gewohnheiten mit. Das kann schnell als ‹schwierig› abgestempelt werden», erklärt sie.
Hinter vielen Spannungen stecken transgenerationelle Muster – also Verhaltensweisen, die über Generationen weitergegeben werden.
«Diese Muster funktionieren unbewusst. Man übernimmt sie einfach, ohne sie zu hinterfragen», so Eiselen. Doch genau das kann belastend sein.
Ein klassisches Beispiel: Der Sohn übernimmt den Hof, doch der Vater lässt nicht wirklich los. «Dann wird’s kompliziert. Der Vater führt weiter, der Sohn fühlt sich eingeengt.»

Auch Gabi Schürch-Wyss, Vizepräsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands, bestätigt gegenüber Nau.ch: «Häufig erleben Mitglieder Spannungen durch unterschiedliche Erwartungen. Aber auch durch fehlende Abgrenzung von Arbeits- und Privatleben sowie starke Bindungen der Schwiegereltern an den Hof.»
Gleichzeitig gebe es aber auch viele positive Beispiele, in denen das Zusammenleben und -arbeiten mehrerer Generationen gut und konstruktiv funktioniert.
Oft ist es die Schwiegertochter, die das System unbewusst aufbricht – und damit schlummernde Konflikte so sichtbar macht.
Häufig zeigt sich das in kleinen Reibereien. Beispiele: «Die ältere Generation will mitreden, wie der Garten auszusehen hat oder wie die Kinder betreut werden sollen.»
Dabei fällt wieder das Argument: «Das haben wir schon immer so gemacht.»
Sohn soll sich hinter seine Frau stellen
Dabei böten genau solche Situationen Chancen, um alte Muster zu hinterfragen und sich abzugrenzen. Doch wie?
«Zuerst geht es darum, sich seiner Position und seiner Grenzen überhaupt bewusst zu werden», erklärt Eiselen. Viele hätten gelernt, Probleme herunterzuspielen.
Zudem muss der Sohn den Loyalitätskonflikt zwischen seinen Eltern und seiner Frau auflösen – indem er klar Position bezieht.
Auch die Schwiegertochter müsse lernen, ihre Grenzen zu spüren. «Sie kann Grenzen setzen – entscheidend ist aber, dass der Mann hinter ihr steht. Nur als Team funktioniert es.»
Doch wie zieht man Grenzen, ohne die Familie zu sprengen?
Grenzen zu setzen, ist kein Angriff, betont Eiselen. «Man kann nicht verhindern, dass sich jemand verletzt fühlt. Das ist Teil des Abkopplungsprozesses.»
Eine räumliche Trennung kann helfen. Etwa, wenn die abtretende Generation nicht mehr auf dem Hof oder zumindest nicht mehr in der Betriebsleiterwohnung lebt.
«Getrenntes Wohnen empfehle ich sehr, da es das Konfliktpotenzial reduziert», sagt sie. «Doch damit allein ist das Problem noch nicht gelöst.»
Denn auch mit räumlicher Distanz bleibt das emotionale Band bestehen. «Manche Mütter oder Väter ziehen zwar weg, sind aber trotzdem jeden Morgen auf dem Hof. Es braucht eine bewusste Neuordnung der Rollen.»
Aussensicht kann helfen
Auch Schürch-Wyss vom Bäuerinnen- und Landfrauenverband betont, wie wichtig klare Absprachen und regelmässige Gespräche sind: «Von Beginn weg braucht es transparente und offene Absprachen, klare Aufgabenklärung und Aufgabenteilung sowie das ehrliche Aussprechen gegenseitiger Erwartungen.»
Klar ist: «Gelingt ein konstruktives Miteinander, können beide Seiten profitieren.» Wenn die Familie alleine keinen Weg findet, könne es hilfreich sein, «eine Aussensicht einzuholen – etwa durch einen Coach».
Das Thema trifft offenbar einen Nerv.

Agrarcoach Barbara Eiselen schreibt für den «Schweizer Bauer» regelmässig Kolumnen. Ein Text über Schwiegertöchter erreichte über 300'000 Aufrufe – bei gerade einmal gut 47'000 Landwirtschaftsbetrieben in der Schweiz.
Neben dem Dauerbrenner «Schwiegertochter» sieht Eiselen weitere Konfliktfelder auf Bauernhöfen: Verantwortung, unausgesprochene Erwartungen und nicht eingehaltene Abmachungen.
«Viele merken gar nicht, dass es ein Problem ist, wenn Versprechen nicht eingehalten werden. Spricht man sie darauf an, fühlen sie sich verletzt und verteidigen oder rechtfertigen sich», sagt sie.
Oft stecke dahinter der Wunsch, niemanden zu enttäuschen. «Man will nicht kleinlich wirken oder als ungrosszügig gelten. Dabei geht es schlicht darum, klare Vereinbarungen zu respektieren.»
Bauern haben «enorme Schmerztoleranz»
Trotzdem holen sich viele keine Hilfe. Die Coaching-Anfragen seien im Vergleich zur Anzahl Aufrufe der Kolumne gering.
Eiselen erklärt das so: «Bauern haben eine enorme Schmerztoleranz. Sie sind hartnäckig, zielstrebig und geben nicht so schnell auf.»
Das sei grundsätzlich eine «Riesenqualität». «Aber genau das wird ihnen in solchen schwierigen Situationen zum Verhängnis.»
Sich Hilfe zu holen, brauche Mut. «Viele sagen: ‹Wir haben keine Probleme› – bis irgendwann alles zu viel wird.»
Doch das Bewusstsein verändert sich langsam. Gerade junge Bäuerinnen und Bauern suchen zunehmend Unterstützung, beobachtet Eiselen.
Ihr Rat an die Bauern: «Investieren Sie nicht nur in Maschinen und Traktoren, sondern auch in sich selbst. Wenn alte Muster durchbrochen werden, wird der Hof als Lebensort lebenswerter.»














