Bauern fordern sofortigen Wolfs-Abschuss bei Rind-Riss
Schweizer Wolfsrudel haben ihre Beutepräferenzen angepasst. Die Zahlen steigen: Seit 2020 kommt es vermehrt zu Rinderrissen. Die Bauern fordern Blitz-Abschüsse.

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Wolf hat im vergangenen Sommer in Saint-George VD vier Rinder gerissen.
- Seit 2020 verändern sich die Beute-Präferenzen von Wölfen.
- Die Viehzüchter zeigen sich verärgert.
- Der Bauernverband fordert schnelle Abschüsse: «Im Waadtland wurde viel zu lange gewartet.»
Die Gemeinde Saint-George VD hat einen ereignisreichen Sommer hinter sich. Die Viehzüchter zeigen sich erschöpft — und verärgert. Ein «Massaker», so beschreibt es Guy Berseth gegenüber der «Luzerner Zeitung».
Der Präsident der Viehzüchtergenossenschaft nimmt damit Bezug auf den Wolf, der im Sommer auf der Alp Rinder riss. Der Alpaufzug startete mit 110 Tieren, der Abzug wurden mit vier Tieren weniger beendet.
«So kann es nicht mehr weitergehen», fasst der Mann, der selbst Viehzüchter ist, zusammen. Die Herangehensweise des Wolfes sei neu: Das Tier schlich sich im Fall von Berseths Rindern sogar am helllichten Tag an.
«Er greift von hinten an und beisst an den Oberschenkeln zu», so der Züchter. Und das, obwohl die jungen Tiere fast eine halbe Tonne wiegen und sich deshalb selbst verteidigen können — eigentlich.
Schweizer Bauernverband fordert schnellere Abschüsse
Auch beim Schweizer Bauernverband zeigt man sich besorgt aufgrund der Entwicklung.
«Wenn Wölfe ein Rind reissen, dann muss das Anlass für einen umgehenden Abschuss sein», fordert Sandra Helfenstein, Leiterin Kommunikation. Ein Blitz-Abschuss also.
Gesetzlich ist das bereits heute so geregelt. Doch gemäss Verband ist klar: «Im Waadtland wurde viel zu lange zugewartet. Es kann nicht sein, dass es nach einem Riss Wochen dauert bis eine DNA-Analyse vorliegt», sagt Helfenstein.

Ursprünglich sei dem Verband gesagt worden, dass das Rudel vom Mont Tendre eine Ausnahme sei. Doch man sehe eindeutig, dass sich der Wolf seiner Umgebung anpasse. Vor allem in Regionen mit wenig Schafen oder Ziegen würde er auch grössere Nutztiere reissen.
Es sei für die Tierhalter schlichtweg nicht möglich, Tag und Nacht bei den Tieren zu sein. Helfenstein: «Von den Landwirten wird erwartet, dass sie dem Tierwohl höchste Priorität beimessen. Hier soll es plötzlich keine Rolle spielen.»
Beutepräferenz verändert sich
Die Angriffe auf Rinder nehmen erst seit 2020 wirklich zu. Zuvor waren die Tiere laut Zahlen des Bundes für die Wölfe kaum interessant.
2024 zählte die Statistik rund 50 gerissene Rinder. Die Zahl wirkt, mit einem Blick auf die im selben Jahr getöteten 716 Schafe und 144 Ziegen, überraschend klein.
Ansonsten sind es Wildtiere wie Rothirsche oder Gämse, die mit rund 80 Prozent den grössten Teil der Beutetiere ausmachen.
Das Problem scheint vor allem im Jurabogen, darunter auch das französische Grenzgebiet, präsent zu sein. Bis Anfang September zählte der Kanton Waadt sieben Kälber und über 30 Rinder, die von Wölfen gerissen wurden.
Die diesjährigen Zahlen gipfeln in einem neuen Hoch. Bereits vor dem Ende der Alpsaison erreichte man das Vorjahres-Niveau. Verantwortlich für die Angriffe ist das Rudel am Mont Tendre, das sich 2023 bildete.
Die genauen Gründe für die steigende Zahl der Rinderrisse werden zurzeit noch untersucht. Klar ist aber: Rinder stehen häufig auf weitläufigen Weiden. Ein hoher Herdenanteil an unerfahrenen Jungtieren begünstigt die Angriffe zusätzlich.
Herdenschutz gestaltet sich schwierig
Das Budget für Herdenschutzmassnahmen des Bundesamt für Landwirtschaft beträgt jährlich drei bis 3,5 Millionen Franken.
Das scheint jedoch nicht zu reichen. Der Bund gibt mit seiner Finanzspritze jährlich zwischen vier und sieben Millionen Franken dazu.

Doch das Thema Herdenschutz stösst bei den Schweizer Bäuerinnen und Bauern dumpf auf. Die riesigen Herden auf mehreren hundert Hektaren Land zu überwachen, sei manchmal praktisch unmöglich, heisst es immer wieder.
Grundsätzlich könne man mit einem soliden Herdenschutz viel ausrichten. «Herdenschutz bedeutet aber auch Aufwand, Investitionen, Infrastruktur», betont der Schäfer Michael Baggenstoss gegenüber SRF.