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«Personenunfälle» häufen sich – SBB zieht Bilanz

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Die SBB spricht seit Juni wieder von «Personenunfall» statt «Fremdereignis». Ein Fachmann für Suizidprävention sieht Anpassungsbedarf.

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Bei den Verspätungen in den letzten Monaten waren immer wieder «Personenunfälle» der Grund. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Alleine im September vermeldet die SBB bereits vier «Personenunfälle».
  • Die wiederholten Meldungen seien belastend, sagt ein Fachmann für Suizidprävention.
  • Die SBB stellt dank der neuen Kundeninformation eine Entspannung fest.

«Grund dafür ist ein Personenunfall» – diese Meldung haben Pendlerinnen und Pendler in den Bahnhöfen vermehrt zu hören bekommen. Über zehnmal ertönte seit Juni die entsprechende Durchsage bei Verspätungen auf dem Schienennetz.

Alleine im aktuellen September ist dies bisher viermal der Fall. Bereits im Juli wurde dieser Rekord erreicht. Dies geht aus entsprechenden Meldungen in den Medien hervor.

Zuletzt schränkte etwa ein «Personenunfall» am Montagmorgen den Goldküsten-Verkehr auf der Strecke zwischen Zürich und Meilen ZH ein.

Weniger «Fremdereignisse»

Seit Anfang Juni verwendet die SBB wieder den Begriff «Personenunfall» als Störungsgrund. Bei Personenunfällen handelt es sich laut dem Bahnunternehmen nicht immer, aber oft um Suizide.

Zuvor vermeldete die SBB solche auch unter dem Begriff «Fremdereignis». Zwischen Februar und Mai führten rund zehn «Fremdereignisse» zu Verspätungen. In dieser Zeitspanne war in keinem Monat ein «Fremdereignis» mehr als dreimal der Grund.

Zudem sind teilweise auch Details bekannt. Etwa handelte es sich in einem Fall um Personen in Gleisnähe. In einem weiteren Fall löste ein Mann, der auf einen Leitungsmast geklettert war, die Meldung aus.

Soll die SBB ihre Kommunikation über «Personenunfälle» einschränken?

2024 benannte die SBB «Personenunfall» in «Fremdereignis» um. Ziel war, den Werther-Effekt zu vermeiden. Dabei handelt es sich um die Annahme, dass die Berichterstattung über Suizide zur Nachahmung führen kann.

«Grund nur auf Screens nennen»

Jörg Weisshaupt ist Vorstandsmitglied des Vereins für Suizidprävention Ipsilon. «Es ist sehr belastend, wenn an einem Bahnhof alle zwei Minuten die Durchsage ‹Personenunfall› wiederholt wird», sagt er. Grundsätzlich begrüsse er jedoch, dass die SBB den Begriff wieder erwähne. «Suizid zu tabuisieren und zu verschweigen, ist nicht zielführend.»

Zudem hätten die Pendlerinnen und Pendler das «Fremdereignis» ohnehin längst in die gleiche Schublade wie den «Personenunfall» gesteckt.

Seiner Meinung nach wäre es aber weniger belastend, wenn der Grund nicht in der Durchsage genannte würde. «Sondern zum Beispiel nur auf den Screens.»

SBB: «Zahlreiche Reisende zeigten ihr Unverständnis»

Die SBB sieht aktuell keine Anpassungen an der Kommunikation vor.

«Die einheitliche und transparente Kundeninformation auf allen Kanälen hat zu einer Entspannung geführt», sagt Mediensprecher Reto Schärli. Der Wechsel von «Fremdereignis» zu «Personenunfall» habe sich bisher bewährt. «Wir werden das weiterhin eng verfolgen.»

Der im Sommer 2024 eingeführte Begriff «Fremdereignis» sorgte bei Reisenden für Spannungen und teilweise ausfälliges Verhalten. Der Begriff sei von den Reisenden nicht verstanden worden, sagt Reto Schärli. «Zahlreiche Reisende zeigten ihr Unverständnis.» Zudem seien die Mitarbeitenden der SBB vermehrt mit Aggressionen konfrontiert worden.

«Unsere Kolleginnen und Kollegen mit Kundenkontakt sind ohnehin täglich mit Aggressionen konfrontiert», sagt der Mediensprecher. Zusätzliche Anfeindungen, weil eine Kundeninformation nicht verstanden werde, seien eine zusätzliche Belastung für ihr Personal.

«Überleben schwerstbehindert»

Die SBB betont, grossen Wert auf die Suizidprävention zu legen.

Die Suizidprävention setze auf unterschiedliche Massnahmen, die alle miteinander vernetzt seien, sagt der Mediensprecher. Der Hauptfokus der Suizidprävention der SBB liege auf bahnspezifischen Massnahmen.

«Zudem integriert die SBB, wo möglich, Massnahmen der Suizidprävention in Bauvorhaben.» Auch pflege sie ein Netzwerk mit ausgewählten Partnern und Organisationen zur Sensibilisierung und zur gegenseitigen Unterstützung.

149 Personen starben in der Schweiz laut dem Bundesamt für Statistik durch Schienen-Suizide. Trotzdem bedeutet diese Art von Suizidversuch nicht den sicheren Tod. «Ein grosser Teil der Menschen überlebt den Suizidversuch auf der Schiene – schwerstbehindert», sagt Jörg Weisshaupt.

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Brauchst du Hilfe?

Bist du selbst depressiv oder hast du Suizidgedanken? Dann kontaktiere bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).

Unter der kostenlosen Hotline 143 erhältst du anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.

Für Kinder oder Jugendliche steht die Notrufnummer 147 zur Verfügung.

Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch

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