SBB spricht wieder von «Personenunfällen» – Psychologe kritisiert
Die SBB führt den Begriff «Personenunfall» auf allen Kanälen ein. Weil Reisende «Fremdereignis» nicht verstehen. Der Entscheid stösst auf Kritik.

Das Wichtigste in Kürze
- Die SBB passt ihre Kundeninformation bereits wieder an.
- Seit letztem Juli sprach man nicht mehr von «Personenunfall», ausser in Zügen.
- «Fremdereignis» habe aber bei Reisenden für Unverständnis und Aggressionen gesorgt.
- Das Zurückkrebsen sorgt für Kritik. Ein Psychologe warnt vor mehr Suiziden.
Nach nicht einmal einem Jahr ändert die SBB die Kundeninformationen wieder. Letzten Juli wurden «Personenunfälle» umbenannt, sie wurden seither an Bahnhöfen als «Fremdereignisse» übermittelt.
Damit ist nun bereits wieder Schluss. Die SBB verwendet ab dem 4. Juni wieder den Begriff «Personenunfall» als Störungsgrund. Auf allen Kanälen.
Das stösst auf Kritik. Urs Hepp, selbstständiger Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, befürchtet Schlimmes.
Psychologe warnt: «Führt zu vermehrten Suiziden»
Er findet den Schritt der SBB einen «Rückschritt in der Suizidprävention», schreibt er in einem «LinkedIn»-Post.
Es sei bekannt, «dass diese Kommunikation zu vermehrten Suiziden führt. Leider war es nicht möglich, das Management der SBB trotz Evidenz von dem Entscheid abzuhalten.»
Worauf Hepp anspricht: Bei Personenunfällen handelt es sich nicht immer, aber oft um Suizide. Forschungen zeigen, dass Berichte über Suizide Nachahmungstaten auslösen. Den sogenannten Werther-Effekt.
Bezüglich Berichterstattung wird in der Schweiz klar empfohlen, zurückhaltend zu berichten. So sollen etwa Bilder von Unfallorten nicht gezeigt werden. Auch die SBB verweist auf die Richtlinien des Schweizer Presserates.
Warum ändert man also die Kommunikations-Strategie?
SBB: Reisende wurden wegen Begriff «Fremdereignis» aggressiv
Der Begriff «Fremdereignis» (keine technischen Störungen oder Naturereignisse) sei von den Reisenden nicht verstanden worden. Das hätten zahlreiche Reaktionen gezeigt.
«Mitarbeitende der SBB waren oft mit Unverständnis und vermehrt auch mit Aggressionen konfrontiert», teilt die Bahnbetreiberin mit.
Weiter: «Durch die klare Kommunikation können Reisende Unterbrüche besser einordnen, die Folgen eher abschätzen. Und sich über Reisealternativen informieren.»
Psychologe Hepp weiss, dass mit Kundenzufriedenheit und Transparenz verschiedene Interessen aufeinanderträfen. «Wenn es aber so viele Schienen-Suizide gibt wie vor zehn Jahren, dann ‹profitiert› niemand davon. Auch nicht die Kunden.»
Im Jahr 2014 gab es 149 Schienen-Suizide
Im Jahr 2014 starben in der Schweiz 149 Menschen durch Schienen-Suizide, ein Höchstwert. Das entspricht einem Anteil von 14,5 Prozent aller Suizide, wie Zahlen des BfS zu entnehmen ist.
Bei der letzten Erhebung der Statistik der Todesursachen im Jahr 2023 waren es noch 108 Schienen-Suizide (10,9 Prozent).
Gesamthaft betrachtet ist die Suizid-Rate in der Schweiz (Suizidhilfe ausgeschlossen) sinkend. Jedoch gab es zuletzt die Meldung, dass es noch nie mehr Suizid-Notfälle beim Notruf 147 gab wie zuletzt. (140 Kriseninterventionen)
Brauchst du Hilfe?
Bist du selbst depressiv oder hast du Suizidgedanken? Dann kontaktiere bitte umgehend die Dargebotene Hand (www.143.ch).
Unter der kostenlosen Hotline 143 erhältst du anonym und rund um die Uhr Hilfe. Die Berater können Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Auch eine Kontaktaufnahme über einen Einzelchat oder anonyme Beratung via E-Mail ist möglich.
Für Kinder oder Jugendliche steht die Notrufnummer 147 zur Verfügung.
Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch