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Neuer deutscher Botschafter: «Habe Respekt vor dem Aare-Schwumm»

Yves Schott
Yves Schott

Bern,

Seit einem Monat ist Markus Potzel deutscher Botschafter in Bern. Im Interview erklärt er, was ihn hier zum Staunen bringt und worüber er sich Sorgen macht.

Markus Potzel
Seit rund einem Monat ist Markus Potzel neuer deutscher Botschafter in Bern. - Daniel Zaugg

BärnerBär: Markus Potzel, Sie sind seit rund vier Wochen in Bern. Wie sind Ihre ersten Eindrücke?

Markus Potzel: Enorm positiv. Die Menschen sind zuvorkommend und man findet sich schnell zurecht.

Im Vergleich zu Teheran natürlich ein riesiger Kontrast. Alles funktioniert wunderbar, der Servicegedanke wird hochgehalten.

BärnerBär: Danke für die netten Worte. Dennoch sagen gerade auch Deutsche, dass sie in der Schweiz hie und da eine gewisse Ablehnung spüren.

Potzel: Das kann ich so nicht bestätigen. Vielleicht liegt es an meinem Amt als Botschafter (lacht laut). Im Ernst: Die Leute begegnen mir mit sehr viel Freundlichkeit. Das bin ich mir aus Berlin weniger gewohnt.

BärnerBär: Berliner Schnauze, so heisst es.

Potzel: Da ist schon was dran (lacht).

BärnerBär: Wieso haben Sie den Iran verlassen und sich für Bern entschieden?

Potzel: Nun, wir Botschafter sind Generalisten und unterliegen dem Rotationsprinzip, sprich: Alle drei oder vier Jahre wechseln wir den Standort, das liegt quasi in unserer DNA.

Dazu ist meine Frau seit kurzem EU-Botschafterin in Genf. Es handelt sich hier also um eine Art Familienzusammenführung.

Besuchst du oft Deutschland?

BärnerBär: Wie lebte es sich in Teheran?

Potzel: (überlegt kurz) Unspektakulärer als manche wohl denken mögen. Es existiert durchaus ein normales Leben, ich konnte mich zu Fuss und mit dem Auto stets frei bewegen.

BärnerBär: Haben Sie von den Angriffen Israels etwas mitbekommen?

Potzel: Den Zwölftagekrieg im Juni dieses Jahres auf jeden Fall. Wir wurden auf dem Landweg nach Turkmenistan evakuiert.

Wir sahen die Rauchwolken und spürten die Einschläge der Raketen. Das war heftig.

BärnerBär: Da ist Bern logischerweise ein krasses Kontrastprogramm. Hat Sie diesmal die Ruhe und Ordnung gereizt?

Potzel: Tatsächlich finde ich die Schweiz ein interessantes Land. Ihr nördlicher Nachbar ist bevölkerungsmässig fast zehnmal grösser.

Solche Beziehungen zu gestalten und pflegen, ist immens wichtig. Wir kennen es von zuhause, mit Nachbarn kann es auch mal Probleme geben.

Glücklicherweise gehen Deutschland und die Schweiz äusserst freundschaftlich miteinander um. Wir teilen dieselben Werte und befinden uns beide im Herzen Europas.

BärnerBär: Sind die Beziehungen der Schweiz zur EU und zu Deutschland ein wichtiges Thema für Sie?

Potzel: Unbedingt, ja, mit ihnen werde ich mich intensiv beschäftigen. Ich habe in den vergangenen vier Wochen bereits zahlreiche Gespräche mit der Bundespräsidentin, mit Bundesräten sowie Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Kultur führen dürfen.

Die Bilateralen III sind zu Ende verhandelt, nun folgt der Ratifizierungsprozess und anschliessend das Referendum. Für die Schweiz wie für Deutschland eine wegweisende Entscheidung.

BärnerBär: Wie können Deutschland und die Schweiz voneinander profitieren?

Potzel: Vieles spielt sich in den Grenzregionen ab, wo die lokale Bevölkerung tagtäglich sieht, was beim anderen besser läuft als bei einem selbst.

Auffallend ist, wie gut der öffentliche Verkehr hier organisiert ist. In den Städten braucht es meist kein Auto, die Taktfrequenz der Züge und natürlich die Pünktlichkeit sind hoch.

Da hat uns die Schweiz den Rang abgelaufen, weshalb es wohl kein Zufall ist, dass einer der Experten, die das deutsche Verkehrsministerium beraten, ein Schweizer ist, damit wir diese Zuverlässigkeit wieder hinkriegen. Ich besitze übrigens schon einen Swiss Pass (schmunzelt)!

BärnerBär: Was funktioniert zwischen unseren beiden Staaten denn weniger gut?

Potzel: Auf regionaler Ebene finden sich durchaus Punkte, die es zu diskutieren gilt, etwa die Bahnanbindung an Deutschland oder die Anflüge auf den Zürcher Flughafen.

Trotzdem handelt es sich dabei nicht um Angelegenheiten, die meine Agenda dominieren werden.

Persönlich

Markus Potzel, Jahrgang 1965, wuchs in Brandenburg in der damaligen DDR auf. Er studierte Anglistik und Iranistik in Ost-Berlin sowie in Tadschikistan.

Er machte eine diplomatische Ausbildung und war unter anderem deutscher Botschafter in Teheran und Kabul.

Markus Potzel ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Die autokratischen Tendenzen rund um den Globus verdienen viel eher unsere Aufmerksamkeit.

Stichwort: Das Verteidigen der westlichen Demokratien. Da sitzen wir im gleichen Boot. Auch die US-Zölle beschäftigen uns – in der EU und in der Schweiz.

BärnerBär: Apropos: Wie sehen Sie die Entwicklungen in den USA, aber auch in Deutschland oder Frankreich?

Potzel: Weltweit gewinnen Autokratien stetig an Einfluss, nicht zuletzt in Europa. Der Anker der westlichen Demokratie, die USA, nehmen eine Richtung, die mir Sorge bereitet.

Ich habe es in einem meiner Instagram-Videos zum Tag der Deutschen Einheit gepostet: Um die Demokratie muss jeden Tag gerungen werden.

Sie ist kein Selbstläufer, das wissen wir Deutschen ganz besonders. Die Mehrheit der Bevölkerung ist indes zum Glück bereit, die Demokratie zu verteidigen.

BärnerBär: Ist die Demokratie in den USA bedroht?

Potzel: Dass die Checks und Balances, also die Kontrollmechanismen, immer häufiger ausgehebelt werden, löst gewisse Ängste aus.

Wenn eine Person, die mit extrem viel Macht ausgestattet ist, solche Institutionen einfach aushebeln kann, weckt dies Befürchtungen, gerade bei uns Deutschen.

BärnerBär: War es schon einfacher, ein Land aussenpolitisch zu repräsentieren als jetzt?

Potzel: Die politische Grosswetterlage hat zweifellos Auswirkungen. Die Unterstützung für Israel, gerade in diesem aktuellen Krieg, hat uns einiges an Reputation in den arabischen Staaten sowie im Iran gekostet.

Dort genoss Deutschland stets einen tadellosen Ruf. Unsere Position ist für jene Staaten mitunter schwierig zu verstehen, muss allerdings unbedingt erklärt werden.

Wir haben wegen unserer Geschichte eine grosse Verantwortung gegenüber Israel.

Deutschland bewirbt sich derzeit um einen Sitz im UNO-Sicherheitsrat 2027/28. Indessen hinterfragen einige Länder die deutsche Aussenpolitik stärker als auch schon.

BärnerBär: Ihr Vorgänger Michael Flügger hat sich öfters dezidiert politisch geäussert. Ist das Teil des Jobs?

Potzel: Kommunikation gehört dazu, ja. Wir bringen die Haltung der Bundesregierung ein und berichten gleichzeitig zurück, was in der Schweiz passiert.

Markus Potzel
Markus Potzel sagt von sich selbst, er sei überzeugter Europäer. - Daniel Zaugg

Ich selbst habe eine klare Position und bin überzeugter Europäer. Die Schweiz ist ein Teil Europas, persönlich würde ich eine engere Beziehung mit Europa und der EU begrüssen.

Ich werde mich jedoch hüten, der Schweiz Ratschläge zu erteilen. Ich war übrigens letzte Woche in Zürich, als Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, an der Uni eine interessante Rede hielt.

BärnerBär: Erzählen Sie.

Potzel: Er sagte, dass er mit der Bürokratie in der EU hin und wieder Mühe bekundet. Man müsse aber auch berücksichtigen, was mit Kompromissen und Schulterschlüssen zu gewinnen sei.

BärnerBär: Bedauern Sie es, dass die Schweiz kein Mitglied der EU ist?

Potzel: Es ist nicht an mir, das einzuordnen.

BärnerBär: Gibt es eigentlich ein Schweizer Klischee, das sich für Sie bewahrheitet hat?

Potzel: Ich war ja bereits zuvor immer mal wieder in der Schweiz. Der Käse und die Schokolade sind definitiv sehr gut (lacht).

Andererseits war ich überrascht, wie innovativ die Schweiz ist. Ich war vor zwei Wochen in Bulle bei Liebherr, wo hochmoderne Motoren für Kräne und Generatoren hergestellt werden. Alles komplett automatisiert. Hightech mitten auf dem Land!

BärnerBär: Was vermissen Sie an Deutschland, wenn Sie in der Schweiz sind?

Potzel: In Brandenburg, wo ich aufgewachsen bin, ist die Küche nicht so wahnsinnig raffiniert. Mir sind Fondue und Rösti lieber.

BärnerBär: Haben Sie in Bern schon ein paar Orte entdeckt, die Ihnen gefallen?

Potzel: Ich lief an einem Spätsommerwochenende der Aare entlang und sah mit Bewunderung zu, wie sich Menschen von einer Brücke in die Aare stürzten. Und es war doch bereits leicht frisch

BärnerBär: 18 Grad Wassertemperatur gelten für die meisten Einheimischen als ziemlich badetauglich.

Potzel: Hut ab (lacht)! Und dann kommt ja noch die Strömung hinzu. Deshalb habe ich einen gewissen Respekt davor.

Im Winter werde ich mich mit einem Aareschwumm allerdings noch etwas zurückhalten.

Kommentare

User #3428 (nicht angemeldet)

Dland ist gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch am Ende, also irrelevant.

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