Ein Bild aus einem überfüllten Prüfungs-Saal an der ETH Zürich sorgt für Empörung. Viele Unis pochen auf Präsenzprüfungen – ein Experte versteht das nicht.
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Dieses Bild vom 25. Januar 2021 zeigt einen überfüllten Raum im Rahmen der ETH-Prüfungssession. - Reddit / @throwaway133755228

Das Wichtigste in Kürze

  • Trotz Corona führen derzeit viele Unis Präsenzprüfungen durch.
  • Die ETH musste sich bei den Studierenden für ungenügende Schutzmassnahmen entschuldigen.
  • Ein Bildungsexperte versteht nicht, warum die Schulen auf Prüfungen vor Ort beharren.
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Bereits vor Monaten haben die meisten Schweizer Hochschulen auf Distance Learning, also aufs Studieren von zu Hause aus, umgestellt. Umso mehr erstaunt ein Bild eines überfüllten Raums der ETH Zürich zu Prüfungszeiten. Sind Präsenzprüfungen mitten in der Coronakrise überhaupt nötig?

«Bei den schriftlichen Sessionsprüfungen ist die physische Präsenz aus Sicht der ETH unerlässlich», liess die Hochschule verlauten. Sie argumentiert mit Fairness. Eine Erklärung, die Bildungsexperte Christoph Schmitt nicht gelten lässt.

«Auch Maturaprüfungen werden zum Beispiel mehrheitlich in Präsenz abgelegt. Und zwar so, dass jede Form der Zusammenarbeit oder Kollaboration mit anderen Studierenden als Betrug gewertet wird.» Allein das spreche bereits gegen die aktuelle Tradition, «weil Kooperation ja heute zu einer Kernkompetenz zählt».

Experte: «Es geht nicht um Fairness – höchstens um Unfairness»

Schmitt ergänzt: «Die traditionellen Formen des Prüfens, sei es in Präsenz oder Remote, sind also gar nicht in der Lage, individuelle Lernfortschritte und Kompetenzen zu messen.»

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Der Schweizer Bildungsforscher Christoph Schmitt. - Nau.ch

Die Frage nach Fairness muss man in den Augen des Forschers demzufolge anders stellen. «Es geht nicht darum, ob Präsenzprüfungen für alle gleich fair sind, denn sie sind höchstens für alle gleich unfair.» Am Ende stehe ja auch eher der Ausschluss juristischer Anfechtbarkeit im Zentrum.

Der Bildungsexperte ist überzeugt: «Dass Remote-Prüfungen unfair sein können, trifft meines Erachtens nur für den Fall zu, wo nicht alle Studierenden die gleichen technischen Voraussetzungen haben.» Also Geräte, stabiles Internet und Rückzugsräume, wo sie ungestört sind. «Diese Einschränkungen dürften jedoch auf dem Niveau einer ETH relativ einfach beseitigt werden können», so Schmitt.

Uni Zürich empfahl Studis vor Prüfungen soziale Isolation

Die Studierenden der ETH sind nicht die einzigen, die diesen Winter auf dem Campus antraben müssen. Auch die Universität Zürich führt einige Prüfungen vor Ort durch: Die Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät bot nicht einmal Nachholtermine für Personen an, die sich gerade in Quarantäne befinden.

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Studierende mit Schutzmasken kurz nach Semesterstart letzten Herbst an der Universität Zürich. - Keystone

Wie aus einer Mitteilung, die Nau.ch vorliegt, hervorgeht, wurde den Studierenden stattdessen empfohlen, Ansammlungen und enge Kontakte zwei Wochen vor der Prüfung zu meiden.

Basel führt Math-Prüfungen wegen Lösungswegen vor Ort durch

Auch die Universität St. Gallen (HSG) und die St. Galler Fachhochschulen beharren trotz Pandemie auf Präsenzprüfungen. An der HSG gelte während der schriftlichen Prüfungen ein umfassendes Schutzkonzept für alle Beteiligten, hiess es in einem Schreiben an die Studierenden.

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Auch die Universität St. Gallen führt trotz Coronavirus Präsenzprüfungen durch. (Archivbild) - Keystone

An der Universität Basel werden ebenfalls Präsenzprüfungen abgelegt. Unter strengen Schutzmassnahmen finden diese in der Basler Messehalle statt, wie die Hochschule auf Anfrage von Nau.ch bestätigt.

«Vor allem Prüfungen in den Naturwissenschaften und der Medizin werden als Präsenzprüfungen umgesetzt», sagt Sprecher Matthias Geering. Gerade in diesen Fachrichtungen seien Online-Prüfungen nicht einfach online umsetzbar.

«Beispielsweise in der Mathematik, weil man Lösungswege aufzeigen muss, die am Computer nicht so einfach darstellbar sind. In der Medizin handelt es sich zum Teil um praktische Prüfungen, die nicht online durchgeführt werden können», hält Geering fest.

ZHAW verschiebt Präsenzprüfungen kurzfristig

Ursprünglich hätte auch die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW einige Prüfungen diesen Winter vor Ort durchführen wollen.

Mitte Januar änderte die Hochschule jedoch kurzfristig den Kurs: Aufgrund des Coronavirus werden die Präsenzprüfungen um eineinhalb Monate verschoben, wie aus einer Mitteilung an die Studierenden hervorgeht.

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