Menschenrechtsgerichtshof verurteilt Schweiz im Fall Semenya
Die Schweiz hat die Rechte der südafrikanischen Sportlerin Caster Semenya verletzt und wurde vom Menschenrechtsgerichtshof verurteilt.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz erleidet vor dem Europäischen Menschenrechts-Gerichtshof eine Niederlage.
- Das Schweizer Bundesgericht hat die Rechte von Olympiasiegerin Caster Semenya verletzt.
- Der Streitfall zwischen Semenya und der IAAF geht nun zurück nach Lausanne.
Der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof hat die Schweiz im Fall der zweifachen Olympiasiegerin Caster Semenya verurteilt. Demnach habe das Bundesgericht die Rechte der Südafrikanerin auf eine faire Anhörung teilweise missachtet. Das entschied die höchste Kammer des EGMR am Donnerstag.
Es ist die Bestätigung eines Urteils aus dem Jahr 2023, das einen sieben Jahre langen Rechtsstreit vorerst beendet. Anlass war Semenyas Berufung gegen das Urteil des Sport-Gerichtshofs CAS in Lausanne.

Die Schweiz wurde zur Zahlung von rund 75'000 Franken für Gerichtskosten und Aufwendungen verurteilt. Zudem muss der Fall nun vor dem Schweizer Bundesgericht erneut geprüft werden. Weitere Klagspunkte – etwa die Verletzung der Privatsphäre – wies die Grosse Kammer des EGMR hingegen ab.
Jahrelanger Rechtsstreit mit der IAAF
Der Rechtsstreit am Ursprung des heutigen Urteils begann zwischen Caster Semenya und dem Leichtathletik-Weltverband IAAF. Es drehte sich um die Frage, ob Athletinnen wie Semenya als Frauen antreten dürfen.
Semenya weist eine Chromosomen-Anomalie auf, die zu deutlich erhöhten Testosteron-Werten führt. Die IAAF führte 2019 eine verpflichtende Regelung zur medikamentösen Unterdrückung der Testosteron-Level ein. Die heute 34-Jährige verweigerte diese Behandlung – und zog gegen die IAAF vor Gericht.

Nach einer Niederlage vor dem Sport-Gerichtshof CAS zog Semenya weiter vor das Schweizer Bundesgericht. Auch dort wurde gegen die Südafrikanerin geurteilt – was sie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anklagte. Dort erhielt sie in erster Instanz im Jahr 2023 recht. Das jetzige Urteil schliesst den Fall für den EGMR vorläufig ab.
Bundesgericht verletzte Semenyas Menschenrechte
Der entscheidende juristische Streitpunkt war eine fehlende «gründliche gerichtliche Überprüfung» des Falles durch das Bundesgericht. Diese wäre nötig gewesen, weil Semenya nur der Rechtsweg über den CAS offen gestanden hatte.
Der Sport-Gerichtshof geniesst in sportjuristischen Fragen «zwingende und ausschliessliche Zuständigkeit», so die Richter. Das legen die Verbände der olympischen Sportarten für sämtliche Athleten und nationalen Verbände so fest.

Im Fall von Semenya sei das Schweizer Bundesgericht nicht die korrekte ordentliche letzte Instanz gewesen. Die Südafrikanerin falle «hinsichtlich dieser Beschwerden nicht unter die Zuständigkeit der Schweiz».