Medikamente für drei Milliarden Franken landen im Schweizer Abfall
In der Schweiz landen jährlich Medikamente im Wert von rund drei Mia. Franken im Abfall – oft wegen unpassender Packungsgrössen und abgelaufener Haltbarkeiten.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz werden jährlich Medikamente im Wert von rund drei Mia. Franken entsorgt.
- Unpassende Packungsgrössen gelten als Haupttreiber der Verschwendung.
- Das BAG will ab 2026 Abfallmengen bei der Preisfestsetzung stärker berücksichtigen.
Wer seine Hausapotheke schon einmal ausgemistet hat, kennt das Problem: Viele Medikamente müssen entsorgt werden, obwohl die Packung noch halb oder fast voll ist. Laut Sonderabfallstatistik des Bundesamts für Umwelt (Bafu) werden in der Schweiz pro Jahr rund 5000 Tonnen Medikamente entsorgt.
Das ist ein Gegenwert von mindestens drei Milliarden Franken. Dabei handelt es sich aber nur um Bestände aus Spitälern, Heimen und Apotheken. Private Haushalte sind nicht einmal eingerechnet.
Seit Jahren wird nach Lösungen gesucht, um diese Verschwendung einzudämmen. Eine Spur führte zur Einzelabgabe von Antibiotika, wie sie der Bundesrat künftig erlauben möchte. Ein Pilotprojekt in Neuenburg im Jahr 2020 zeigte jedoch, dass dadurch kaum Medikamente eingespart werden.
Céline Gardiole vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) sagt in einem Bericht von «Kassensturz» zum Thema: «Die Einzelabgabe von Antibiotika soll vor allem einen positiven Effekt auf die Antibiotika-Resistenz haben».
Es gehe nicht darum, die Kosten zu senken, so die Expertin. Im Gegenteil: Die zusätzliche Arbeit in Apotheken müsse vergütet werden – was die Gesamtkosten eher erhöhen dürfte.
Medikamente: Kritik an Packungsgrössen
Deutlich mehr Potenzial sieht Pascal Bonnabry, Leiter der Spitalapotheke des Universitätsspitals Genf, bei den Packungsgrössen. Viele Hersteller böten Formate an, die nicht zur üblichen Therapiedauer passten.
«Eine Standardbehandlung mit Antibiotika dauert oft sieben Tage, mit drei Gaben pro Tag – also 21 Tabletten», erklärt er. «Wenn der Hersteller aber nur Packungen zu 20 Tabletten anbietet, muss die Apotheke dem Patienten 40 Tabletten abgeben.» Statt mühsam umzuverpacken, sollten Hersteller passende Kalenderpackungen anbieten, so Bonnabry.

Die Pharmaindustrie weist diese Kritik zurück. «Bei einer Aufnahme in die Spezialitätenliste legt das BAG auch die Packungsgrösse fest», sagt Michèle Sierro, Sprecherin von Interpharma.
Die Industrie richte sich nach den Vorgaben der Behörden. Pharmazie-Professor Bonnabry widerspricht: Die Verantwortung könne nicht vollständig an die Behörden delegiert werden. «Die Industrie ist sehr empfindlich, was die Anwendungssicherheit ihrer Medikamente angeht», sagt er. «Daher hätte ich Mühe, wenn sie sich aus der Verantwortung nehmen will.»
Initiative soll Problem angehen – Stellungnahme des BAG
Auch die Politik sieht Handlungsbedarf. SP-Nationalrätin Brigitte Crottaz verlangt mit einer parlamentarischen Initiative, dass ungeeignete Packungen beanstandet werden können – von Ärzten, Patientinnen oder Krankenkassen. Wenn klar sei, dass wegen einer Packungsgrösse Medikamente verschwendet werden, solle die Industrie die Kosten erstatten müssen.
Das würde das Problem stärker ins Bewusstsein rücken, argumentiert Crottaz. Laut BAG sollen die Ziele der Initiative ab 2026 im Rahmen einer Verordnungsrevision umgesetzt werden.
Eine zentrale Massnahme: Das BAG soll bei Medikamenten mit hohem Verwurf diesen künftig bei der Preisfestsetzung berücksichtigen können.

Das BAG betont ausserdem, dass es die Zweckmässigkeit der Packungsgrössen bereits heute prüfe. Sowohl bei der Aufnahme eines Medikaments in die Spezialitätenliste als auch alle drei Jahre bei der regulären Überprüfung. Sind die Packungsgrössen unpassend, könne das BAG eine Aufnahme verweigern oder zweckmässigere Formate verlangen.
Allerdings seien viele Medikamente – etwa Antibiotika – für sehr unterschiedliche Indikationen zugelassen, was zu variierenden Dosierungen und Therapiedauern führe.
Deshalb sei es nicht möglich, für alle Anwendungsfälle perfekt passende Packungsgrössen anzubieten. «Bei gewissen Antibiotika lassen sich Restbestände daher nicht vermeiden», so das BAG.












