Künstliche Intelligenz: So verdummen Schüler nicht wegen KI
Künstliche Intelligenz rüttelt an der Bildung. An einer KI-Tagung in Bern sind Forschende sich einig: Ohne eigene Denkarbeit nützt selbst die beste KI nichts.
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Das Wichtigste in Kürze
- KI-Tools wie ChatGPT sind aus dem Alltag kaum wegzudenken – auch in der Schule.
- In Bern bildeten sich Lehrpersonen und Dozierende zum Thema weiter.
- Die Forschenden sind sich einig: KI lässt die Schüler nicht verdummen.
- Doch Künstliche Intelligenz sollte «mit Köpfchen» eingesetzt werden.
Muss ich noch Kopfrechnen können? Gehört der Grammatik-Unterricht der Vergangenheit an? Und schreibt bald die Maschine alle Prüfungen an der Uni?
Die Künstliche Intelligenz (KI) rüttelt die Bildung seit dem Aufkommen von ChatGPT 2022 durch. Und schreit förmlich nach Weiterbildung.
Rund 70 Lehrpersonen, Dozierende und Forschende haben sich am Freitag in der Universität Bern getroffen.
Das Thema: KI an Mittel- und Hochschulen – und wie die Technologie eingesetzt werden soll. Nau.ch ist bei der Veranstaltung des Instituts für Germanistik vor Ort.
Künstliche Intelligenz soll Schulstoff werden
Gerade einmal zwei Teilnehmende geben in einer Online-Umfrage an, nie KI-Tools zu verwenden. Die grosse Mehrheit nutzt ChatGPT, Perplexity und Co. mehrmals die Woche – zum Teil sogar mehrmals täglich.
Während einige Lehrpersonen die KI für die Unterrichtsvorbereitung fragen, formulieren andere damit Texte um – oder lassen sie korrekturlesen.
In der Expertenrunde macht Manfred Pfiffner den Anfang. Er arbeitet als Professor für Berufspädagogik an der PH Zürich. Zudem hat er eine Professur für Künstliche Intelligenz und Didaktik an der Universität Graz (Ö) inne.
Didaktik beschäftigt sich mit der Theorie und der Praxis des Lehrens und Lernens. Sie fragt danach, was, warum und wie gelernt werden soll.
Für Pfiffner ist klar: «Bildung und Schule müssen den Umgang mit KI aktiv gestalten. Es braucht dafür aber neue, spezifische Kompetenzen.»
Er erklärt, dass sich das Lernen schon seit Jahren verändert: weg vom reinen Büffeln und dem Aufarbeiten von Lernzielen hin zu Kompetenzen, die man im Alltag und Beruf einsetzen kann.
Künstliche Intelligenz lässt Schüler nicht verdummen, aber ...
Die Künstliche Intelligenz verstärkt diese Entwicklung. Pfiffner sieht Chancen wie individuelle Förderung, mehr Effizienz im Unterricht und neue Lernformen. Bei menschlichen Fähigkeiten stösst die KI jedoch deutlich an ihre Grenzen.
Auch darum braucht es in der Bildung einen Fokus auf die vier K: Kritisches Denken, Kommunikation, Kooperation und Kreativität. Also auf genau das, was die KI kaum kann.
Ob Schülerinnen und Schüler wegen der KI verdummen, fragt Nau.ch Pfiffner im Interview. «Das glaube ich überhaupt nicht», stellt er klar.

Allerdings stellt sich die Frage, was heute noch Wissen erfordert. «Das kleine und grosse Einmaleins von jedem Fach muss man immer noch auswendig können», bekräftigt er.
Mit diesen Grundkenntnissen sei es besser möglich, einzuschätzen, ob die Ergebnisse der KI plausibel sind oder nicht. Um die Schülerinnen und Schüler beim Aufbau dieser Kompetenz zu unterstützen, müssen auch ihre Lehrpersonen und Dozierenden KI-kompetent sein.
Im Zusammenhang mit KI stellt sich auch die Frage der Leistungsbewertung. Gefordert sind zeitgemässe Prüfungsformate – mehr mündliche Leistungen, Präsentationen und gezielt weiterentwickelte schriftliche Aufgaben.
Lehrer hegen bei guten Arbeiten KI-Generalverdacht
Gleichzeitig warnt Pfiffner: «Lehrpersonen sollten dennoch Vertrauen in ihre Lernenden haben.»
Denn der Verdacht liege schnell nahe, dass eine überraschend gute Arbeit nicht von der betreffenden Person stamme. Dabei könne ein kluger Text durchaus von den Lernenden selbst stammen.

Trotz der neuen Kompetenzen dürfte sich der Unterricht in Zukunft nicht grundlegend verändern. «KI dürfte zukünftig als Hilfsmittel wie heute der Taschenrechner eingesetzt werden.»
Die Technologie dürfe nicht überschätzt werden, meint er. Vielmehr brauche es Menschen, die sie klug, reflektiert und verantwortungsvoll einsetzen.
Roger Mäder von der Fachhochschule Nordwestschweiz bildet Lehrpersonen auf Sekundarstufe und Heilpädagogen aus. Sein Motto: «KI mit Köpfchen.»
«KI gehört umfassend in die Schule und an die Uni», sagt Mäder. «Wir müssen lernen, sowohl mit als auch durch und über diese Technologie zu lernen.»
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Er fordert deshalb eine Abkehr von reinen Wissensabfragen. «Wir müssen vermehrt an authentischen Problemstellungen arbeiten, bei denen KI zwar unterstützen kann. Dabei sollen jedoch menschliche Kompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken und Kollaboration im Vordergrund stehen.»
Das Prompten – also welche Befehle man den KI-Tools gibt – sieht Mäder dabei als «Schlüsselkompetenz».
Gleichzeitig braucht es auch Lernräume ohne KI: sogenannte «Safe Spaces fürs eigene Denken», wie er es nennt.
«Dürfen das Denken nicht an Künstliche Intelligenz auslagern»
Auch Mäder glaubt nicht, dass man wegen der KI verdummt, wie er im Nau.ch-Interview ergänzt. Er mahnt aber: «Wir dürfen das Denken nicht an die KI auslagern.»
Denn: «Unsere Aufgabe ist es, Kinder und Jugendliche dazu zu befähigen, sich mithilfe dieser Werkzeuge aktiv neue Kompetenzen anzueignen.»
Ein Beispiel für eine sinnvolle Heranführung ist das Brainstorming: «Die KI kann Vorschläge liefern, die neue Perspektiven eröffnen – doch der Mensch entscheidet.»
Er erklärt: «Unser Ziel muss sein, Kreativitäts- und Ideenfindungsprozesse so zu fördern, dass die KI nur als Unterstützung dient.»
Mäder mahnt ausserdem, dass die Grundkompetenzen wegen der Fake-News-Gefahr nie an die KI abgegeben werden dürfen. «Im Geschichtsunterricht zum Beispiel muss die Lehrperson mit den Jugendlichen überprüfen, was tatsächlich die Fakten sind.»
Denn: «Alle müssen von den gleichen Fakten ausgehen. Etwas anderes können wir uns nicht leisten.»
Viele Studis können nicht mehr ohne KI
Bianca Vienni Baptista von der ETH Zürich ist die Anthropologin in der Runde. Die Anthropologie beschäftigt sich damit, was den Menschen ausmacht und wie wir leben.
Ihr Schwerpunkt liegt darauf, verschiedene Disziplinen zusammenzubringen und voneinander profitieren zu lassen. Das nennt sich Transdisziplinarität.
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«KI erzeugt Machtunterschiede und übernimmt kulturelle Vorurteile», erklärt Vienni Baptista. Das bedeutet: Die Antworten der KI hängen von den Daten ab, mit denen sie trainiert wurde.
Dadurch können bestimmte Gruppen benachteiligt oder Stereotype wiederholt werden – zum Beispiel in Bezug auf Geschlecht oder Herkunft.
Gleichzeitig habe KI Vorteile, etwa die Geschwindigkeit, mit der sie Informationen verarbeitet. «Einige Studierende berichten, dass sie gar nicht mehr ohne KI könnten, weil sie so viele Kurse belegen.»
Wichtig sei, kritisch zu bleiben und zu prüfen, wo die KI sinnvoll arbeitet: «Wo die KI sinnvolle Arbeit erledigt, kann man diese beibehalten. Alles andere soll der Mensch selbst machen.»
Künstliche Intelligenz kann Gruppenarbeiten nicht ersetzen
Im Nau.ch-Interview ergänzt Vienni Baptista: «Selbst wenn wir KI verantwortungsbewusst einsetzen, brauchen wir weiterhin Kompetenzen wie kritisches Denken und Methodenkenntnisse.»
Die künstliche Intelligenz könne zwar Teile von Arbeitsprozessen übernehmen. Den Überblick über die Teamarbeit und das kritische Zusammenführen verschiedener Perspektiven kann sie hingegen nicht.
Sie betont: «KI ist ein Hilfsmittel. Sie kann uns helfen, die Zusammenarbeit effizienter zu gestalten.»
Gleichzeitig warnt sie: «Wie wir miteinander interagieren, bleibt die Grundlage – auch für das Lernen in der Zukunft.»


















