Junge Ärzte dürfen monatelang nicht arbeiten

Simon Binz
Simon Binz

Bern,

Nach der Ausbildung dürfen viele junge Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz nicht sofort praktizieren. Der Grund: Sie müssen monatelang auf ihr Diplom warten.

Ärztemangel
In der Schweiz herrscht seit Jahren ein Ärztinnen- und Ärztemangel. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Junge Ärzte müssen nach ihrem Abschluss bis zu zehn Monate auf ihr Diplom warten.
  • Die Stelle, welche die Facharzttitel überprüft und herausgibt, ist massiv überbelastet.
  • Es wird geschätzt, dass derzeit über 2500 Ärztinnen und Ärzte auf ihr Diplom waren.

Es dauert lange, sehr lange, bis ein junger Mensch einen Abschluss als Ärztin oder Arzt hat und praktizieren darf. Genau gesagt dauert es bis zu 12 Jahre: Sechs Jahre Studium und weitere fünf bis sechs Jahre Assistenzzeit.

Kein Wunder plangen die meisten Ärztinnen und Ärzte nach dieser Zeit endlich in eigener Verantwortung den Beruf ausüben zu können. Doch wie «CH Media» berichtet, heisst es nach dem Abschluss erstmal abwarten. Acht Monate, teilweise sogar zehn.

Macht dir der Ärztemangel in der Schweiz sorgen?

Der Grund: Das zuständige Institut für ärztliche Weiter und Fortbildung (SIWF) – also di Stelle, die Facharzttitel überprüft und herausgibt – ist seit Monaten massiv überlastet. Auf der Website von SIWF ist demnach die Rede von einer aktuellen Bearbeitungsdauer von mindestens sieben Monate.

«Bedingt durch eine hohe Anzahl an Gesuchen, Fachkräftemangel, komplexe Dossiers sowie interne Umstrukturierungen.» Laut dem Verband der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) müssten viele Betroffene aber eher acht oder gar zehn Monate auf ihr Diplom warten.

Derzeit sind wohl über 2500 Gesuche pendent

Der Frust unter jungen Ärztinnen und Ärzten ist gross. Wer nach der Ausbildung ins Ausland will oder eine Praxis übernehmen möchte, muss wegen der langen Wartezeit die Pläne aufschieben. «Ohne Facharzttitel kann eine solche Stelle nicht angetreten werden», sagt Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation beim VSAO.

Zwar seien in Spitälern Ausnahmen möglich – doch dann würden die Ärztinnen und Ärzte die Verantwortung einer Oberärztin übernehmen, aber zu deutlich tieferem Lohn. Faktisch bedeute das, so Thüler, dass sie mindestens ein halbes Jahr warten, in dem sie weniger verdienen oder ihre Pläne ändern müssten.

notfall
Junge Ärztinnen und Ärzte warten in der Schweiz teilweise acht oder gar zehn Monate auf ihr Diplom (Symbolbild). - keystone

Die Zahlen zeigen die Dimension: 2024 genehmigte das SIWF 1780 Facharzttitel, im Jahr davor waren es 1927 – 2022 sogar 1928. Das war demnach ein Rekord. Parallel dazu wuchs die Zahl der Abklärungen für Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Diplom. Das Institut spricht von «turbulenten Zeiten». Zahlreiche personelle Wechsel und die laufende Digitalisierung belasten die Abläufe zusätzlich.

Der VSAO schätzt, dass derzeit über 2500 Gesuche pendent sind – ein Rückstau, der sich nicht so bald abbauen dürfte. Zwar versichert das SIWF, man arbeite «mit Hochdruck» daran, neue Fachspezialisten einzuarbeiten, die Prozesse zu verschlanken und die Digitalisierung wie auch die Transparenz voranzutreiben. Doch ähnliche Versprechen wurden offenbar schon vor einem Jahr gemacht, als die Wartefristen markant anstiegen.

Prüfung von Diplom kostet 4000 Franken

Eigentlich sieht die Weiterbildungsordnung eine Frist von zwei Monate für die Beurteilung der Dossiers vor. Doch laut Philipp Thüler vom Verband der Assistenz- und Oberärzte wird diese Vorgabe schon seit Langem nicht mehr eingehalten. Vergangenen Sommer lag die Wartezeit demnach noch bei 120 Tagen, seither habe sie sich nochmals verdoppelt.

Gleichzeitig räumt Thüler ein, dass die Arbeit des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung nicht trivial sei. «Der Entscheid hat eine grosse Tragweite. Damit ist auch eine grosse Verantwortung verknüpft.» Dass genau geprüft werde, sei deshalb richtig. «Es sollte aber dennoch möglich sein, den Prozess zu beschleunigen», so Thüler.

Ärztinnen Ärzte
Schätzungen zufolge warten derzeit in der Schweiz rund 2500 Ärztinnen und Ärzte auf ihr Diplom. Ein Rückstau, der sich nicht so bald abbauen dürfte. - Keystone

Besonders brisant ist dabei die Kostenfrage: Für die Prüfung eines Diploms verlangt das SIWF 4000 Franken. Der VSAO fordert deshalb nicht nur, dass das Institut die Anfragen mit grösserer Dringlichkeit behandelt und zusätzliche Ressourcen bereitstellt, sondern auch einen Rabatt für all jene, die monatelang auf ihren Facharzttitel warten müssen.

Ob ein solcher Nachlass kommt, ist offen. Yvonne Gilli, Präsidentin des Ärzteverbands FMH, zeigt sich immerhin in Bezug auf die Wartezeiten zuversichtlich: «Das SIWF hat das Problem erkannt und Massnahmen eingeleitet.» Dazu gehören ein Schnellverfahren für besonders dringliche Fälle sowie vereinfachte Abläufe. Bis diese Massnahmen Wirkung zeigen, werde es allerdings «einige Monate» dauern, betont Gilli.

Kommentare

User #2075 (nicht angemeldet)

4000.- für eine solche Überprüfung ist gestohlen. DA kann man bereits mit 2 solchen Anerkennungen den Lohn einer Mitarbeiterin mit sämtlichen Nebenleistungen für einen ganzen Monat bezahlen. Warum stellt man nicht jemanden an? KV Absolventen gibt es wie Sand am Meer. Da läuft etwas komplett aus dem Ruder. 2500 Gesuche hängig = 2500 x4000 = allein 10 Mio Einnahmen für die hängigen Gesuche. Wie krank ist das denn? Der Bundesrat muss das in die Hand nehmen, die zuständigen Personen austauschen und die Kosten senken! Die sollen pro Gesuch nach Aufwand bezahlt werden!

User #2106 (nicht angemeldet)

Bravo, dass Nau das Thema zur Sprache bringt!!

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