Junge Ärzte dürfen monatelang nicht arbeiten
Nach der Ausbildung dürfen viele junge Ärztinnen und Ärzte in der Schweiz nicht sofort praktizieren. Der Grund: Sie müssen monatelang auf ihr Diplom warten.

Das Wichtigste in Kürze
- Junge Ärzte müssen nach ihrem Abschluss bis zu zehn Monate auf ihr Diplom warten.
- Die Stelle, welche die Facharzttitel überprüft und herausgibt, ist massiv überbelastet.
- Es wird geschätzt, dass derzeit über 2500 Ärztinnen und Ärzte auf ihr Diplom waren.
Es dauert lange, sehr lange, bis ein junger Mensch einen Abschluss als Ärztin oder Arzt hat und praktizieren darf. Genau gesagt dauert es bis zu 12 Jahre: Sechs Jahre Studium und weitere fünf bis sechs Jahre Assistenzzeit.
Kein Wunder plangen die meisten Ärztinnen und Ärzte nach dieser Zeit endlich in eigener Verantwortung den Beruf ausüben zu können. Doch wie «CH Media» berichtet, heisst es nach dem Abschluss erstmal abwarten. Acht Monate, teilweise sogar zehn.
Der Grund: Das zuständige Institut für ärztliche Weiter und Fortbildung (SIWF) – also di Stelle, die Facharzttitel überprüft und herausgibt – ist seit Monaten massiv überlastet. Auf der Website von SIWF ist demnach die Rede von einer aktuellen Bearbeitungsdauer von mindestens sieben Monate.
«Bedingt durch eine hohe Anzahl an Gesuchen, Fachkräftemangel, komplexe Dossiers sowie interne Umstrukturierungen.» Laut dem Verband der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) müssten viele Betroffene aber eher acht oder gar zehn Monate auf ihr Diplom warten.
Derzeit sind wohl über 2500 Gesuche pendent
Der Frust unter jungen Ärztinnen und Ärzten ist gross. Wer nach der Ausbildung ins Ausland will oder eine Praxis übernehmen möchte, muss wegen der langen Wartezeit die Pläne aufschieben. «Ohne Facharzttitel kann eine solche Stelle nicht angetreten werden», sagt Philipp Thüler, Leiter Politik und Kommunikation beim VSAO.
Zwar seien in Spitälern Ausnahmen möglich – doch dann würden die Ärztinnen und Ärzte die Verantwortung einer Oberärztin übernehmen, aber zu deutlich tieferem Lohn. Faktisch bedeute das, so Thüler, dass sie mindestens ein halbes Jahr warten, in dem sie weniger verdienen oder ihre Pläne ändern müssten.

Die Zahlen zeigen die Dimension: 2024 genehmigte das SIWF 1780 Facharzttitel, im Jahr davor waren es 1927 – 2022 sogar 1928. Das war demnach ein Rekord. Parallel dazu wuchs die Zahl der Abklärungen für Ärztinnen und Ärzte mit ausländischem Diplom. Das Institut spricht von «turbulenten Zeiten». Zahlreiche personelle Wechsel und die laufende Digitalisierung belasten die Abläufe zusätzlich.
Der VSAO schätzt, dass derzeit über 2500 Gesuche pendent sind – ein Rückstau, der sich nicht so bald abbauen dürfte. Zwar versichert das SIWF, man arbeite «mit Hochdruck» daran, neue Fachspezialisten einzuarbeiten, die Prozesse zu verschlanken und die Digitalisierung wie auch die Transparenz voranzutreiben. Doch ähnliche Versprechen wurden offenbar schon vor einem Jahr gemacht, als die Wartefristen markant anstiegen.
Prüfung von Diplom kostet 4000 Franken
Eigentlich sieht die Weiterbildungsordnung eine Frist von zwei Monate für die Beurteilung der Dossiers vor. Doch laut Philipp Thüler vom Verband der Assistenz- und Oberärzte wird diese Vorgabe schon seit Langem nicht mehr eingehalten. Vergangenen Sommer lag die Wartezeit demnach noch bei 120 Tagen, seither habe sie sich nochmals verdoppelt.
Gleichzeitig räumt Thüler ein, dass die Arbeit des Schweizerischen Instituts für ärztliche Weiter- und Fortbildung nicht trivial sei. «Der Entscheid hat eine grosse Tragweite. Damit ist auch eine grosse Verantwortung verknüpft.» Dass genau geprüft werde, sei deshalb richtig. «Es sollte aber dennoch möglich sein, den Prozess zu beschleunigen», so Thüler.

Besonders brisant ist dabei die Kostenfrage: Für die Prüfung eines Diploms verlangt das SIWF 4000 Franken. Der VSAO fordert deshalb nicht nur, dass das Institut die Anfragen mit grösserer Dringlichkeit behandelt und zusätzliche Ressourcen bereitstellt, sondern auch einen Rabatt für all jene, die monatelang auf ihren Facharzttitel warten müssen.
Ob ein solcher Nachlass kommt, ist offen. Yvonne Gilli, Präsidentin des Ärzteverbands FMH, zeigt sich immerhin in Bezug auf die Wartezeiten zuversichtlich: «Das SIWF hat das Problem erkannt und Massnahmen eingeleitet.» Dazu gehören ein Schnellverfahren für besonders dringliche Fälle sowie vereinfachte Abläufe. Bis diese Massnahmen Wirkung zeigen, werde es allerdings «einige Monate» dauern, betont Gilli.