Immer weniger Frauen verhüten mit der Pille. Zwei Betroffene erzählen, warum – und ein Gynäkologe nimmt das Präparat in Schutz.
Pille
Die Pille hat in den letzten 20 Jahren deutlich an Beliebtheit eingebüsst. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Frauen setzen statt der Pille auf hormonfreie Verhütung.
  • Zwei Frauen erzählen von ihren negativen Erfahrungen mit der Pille.
  • Ein Gynäkologe betont, es werde «extrem gut» über die Pille aufgeklärt.
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Die Pille war lange Zeit das beliebteste Verhütungsmittel bei Frauen unter 35 Jahren. Doch das ändert sich zunehmend, wie neue Zahlen zeigen.

Der Anteil Frauen, die auf die Antibabypille setzen, hat sich seit 2002 fast halbiert. Bei den 15- bis 24-Jährigen sank er von 43 Prozent auf nur noch 24 Prozent im Jahr 2022.

Bei den 25- bis 34-Jährigen fiel er von 39 auf 20 Prozent. Das geht aus der «Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022» des Bundesamts für Statistik hervor. Stattdessen setzen viele Junge lieber auf (teils hormonfreie) Methoden wie das Kondom oder die Spirale.

«Blutete manchmal mehrere Wochen am Stück»

Kein Wunder, finden zwei junge Frauen, die mit der Pille üble Erfahrungen gemacht haben. Die Bernerin Carmen D.* (28) und die Bündnerin Flurina P.* (21) sind beide alles andere als begeistert von den Hormonpräparaten.

D. erhält vor drei Jahren ein Hormonpräparat verschrieben. «Und es hatte von Anfang an Nebenwirkungen.»

Vorher sei ihre Periode regelmässig gewesen. «Doch plötzlich blutete ich immer wieder, manchmal mehrere Wochen am Stück.» Insgesamt habe sie zwar nicht mehr Blut verloren als vorher – «aber es war natürlich nervig».

«Hatte Panikattacken»

Also geht D. noch einmal zur Frauenärztin, wo sie ein stärkeres Präparat verschrieben bekommt. «Damit hat sich das Problem mit den Zwischenblutungen zwar erledigt. Aber es ging mir miserabel», erzählt sie.

«Plötzlich weinte ich ständig und hatte Panikattacken.» Die Bernerin ist schon vor der Pille eher ein ängstlicher Mensch, wie sie beschreibt. «Jetzt geriet es ausser Kontrolle.»

Sie erinnert sich: «An freien Tagen musste ich pausenlos Podcasts hören, weil ich es nicht aushielt, mit meinen Gedanken alleine zu sein.» Ist sie für einen Moment nicht abgelenkt, bekommt sie Herzrasen und schwitzige Hände.

Frauenärztin behauptet: «Kann gar nicht sein»

D. sieht sich die Packungsbeilage an und durchsucht Internet-Fachportale. Tatsächlich sind Depressionen und Ängste bei den Nebenwirkungen der Pille, die sie einnimmt, aufgelistet.

Auch ihre Psychologin glaubt an einen Zusammenhang. «Als ich das meiner Frauenärztin erzählte, reagierte sie aber extrem abweisend.»

Sie weiss nicht mehr genau, wann die Probleme anfingen – deshalb meint ihre Gynäkologin nur: «Es kann gar nicht sein, dass das mit der Pille im Zusammenhang steht.» Carmen D. beschliesst trotzdem, sie abzusetzen.

Pille
Die Pille steht seit Jahren immer wieder wegen teils gefährlicher Nebenwirkungen in der Kritik.
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Sie hat in den letzten Jahren auch deutlich an Beliebtheit eingebüsst.
Verhütung
Viele Frauen lassen sich lieber eine Spirale einsetzen oder benutzen einfach das Kondom.
Eggimann
Das beobachtet auch Frauenarzt Thomas Eggimann in seinen Sprechstunden.
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So heftige Nebenwirkungen wie Depressionen und Panikattacken seien aber «zum Glück selten».

Und siehe da: Bald geht es ihr emotional besser. Körperliche Symptome hat sie aber zwei Jahre später immer noch. «Zum Beispiel dauert meine Periode bis zu elf Tage. Schon drei bis vier Tage, bevor sie wirklich beginnt, blutet es leicht.»

«Stimmungsschwankungen und Wassereinlagerungen»

Von Nebenwirkungen kann auch die 21-jährige Flurina P. ein Lied singen. «Ich habe über mehrere Jahre verschiedene Mikropillen-Präparate versucht, da mein Körper stark auf die jeweiligen Dosierungen reagiert hat.»

Darunter: «Stimmungsschwankungen und Wassereinlagerungen.» Je mehr Östrogen im Präparat, desto schlimmer die Symptome, so P.s Erfahrung.

Im Moment nimmt sie die Minipille, weil sie damit die wenigsten Nebenwirkungen bemerkt. «Aber eigentlich hat mir auch diese Pille zu viele.» Absetzen geht für sie trotzdem nicht – eine bessere Alternative hat sie bis jetzt nicht gefunden.

Frauenarzt: Die Pille wird nicht einfach so «verteilt»

Gynäkologin Helene Bamert Stoop von der Frauenklinik des Spitals Zollikerberg sagt: «Die hormonelle Verhütung hat aktuell zu Unrecht einen schlechten Ruf.» Sie biete einen guten Schutz vor Schwangerschaft, lindere Periodenbeschwerden und verhindere, dass Krankheiten wie Endometriose fortschreiten.

Frauenarzt Thomas Eggimann vom Spital Emmental in Burgdorf BE beobachtet ebenfalls, dass die Pille immer unbeliebter wird. «In meiner Sprechstunde haben vor allem Spiralen zugenommen.»

Sollte die Forschung mehr in neue Verhütungsmittel investieren?

Zur Kritik der beiden Frauen sagt er: «Es wird extrem vorsichtig über die Pille aufgeklärt. Es gibt wohl kein gynäkologisches Thema, bei dem mehr zur Vorsicht aufgerufen oder das mehr diskutiert wird.»

Er sei deshalb überzeugt, dass sie nicht einfach so «verteilt» werde. Zuerst würden Patientinnen zu ihrer Krankengeschichte befragt. «Nach drei Monaten machen die allermeisten Fachpersonen eine Pillenkontrolle ab.» Passt das Präparat nicht, würden Alternativen gesucht.

«Es braucht manchmal mehrere Versuche»

Er erinnert daran, dass die Pille sicherer ist als Kondome oder das Temperaturmessen. «Wichtig ist zu wissen, dass es manchmal mehrere Versuche mit verschiedenen Pillen braucht.» Viele würden dann eine finden, die passt.

Hat man aber solch heftige Nebenwirkungen wie Panikattacken und Depressionen, ist für Eggimann klar: «Keine Pille nehmen! Das ist aber zum Glück selten.»

Bamert Stoop gibt zu bedenken, dass man bei Panikattacken die Lebenssituation der Patientin genauer unter die Lupe nehmen sollte. «Denn es gibt hier häufig weitere Faktoren, die eine Rolle spielen.»

* Namen von der Redaktion geändert

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