«Imitieren toxische Art»: Frauen labeln Männer nach Optik

Bettina Zanni
Bettina Zanni

Zürich,

Junge Frauen teilen Männer auf Tiktok in Schönheitskategorien ein. Ein Verhalten, das im umgekehrten Fall tabu ist.

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«Das sind die Hübschen»: Junge Frauen erklären, warum «medium ugly guys» bei ihnen punkten. - Quelle: Tiktok @frexhboi4 @fatuuumm

Das Wichtigste in Kürze

  • Als «medium ugly guy» bezeichnen junge Frauen Männer, die nicht klassisch schön sind.
  • Junge Männer reagieren beleidigt und werfen Doppelmoral vor.
  • Ein Hotness-Rating mache Männer zu Objekten, sagt Markus Theunert.

Männer stecken mitten im Schönheitswettbewerb. Auf Tiktok gibt es unzählige Videos, in denen junge Frauen vom sogenannten «medium ugly guy» (Durchschnittstyp) schwärmen. Damit meinen sie Männer, die nicht klassisch schön sind.

«Ich würde nie einen Mann daten, der eine Acht, Neun oder Zehn ist», sagt eine Userin. Wenn ein Mann wisse, dass er attraktiv sei, verhalte er sich wie ein Depp. Weniger hübsche Männer seien dagegen bescheidener und hätten bessere Persönlichkeiten.

Eine Userin behauptet, dass 80 Prozent der Frauen auf den «medium ugly guy» stünden. Diese seien die hübschen und schönen Männer. «Wir wollen nicht diese geleckten Schönlinge haben.»

«Was für eine Doppelmoral»

Der ehemalige schwedische Fussballer Zlatan Ibrahimović steht bei einer Anhängerin des «mittelhässlichen Typen» hoch im Kurs. Er sei «das beste Beispiel» dafür, findet sie.

Oft bezeichneten Leute ihn nicht als hübsch, sagt sie. «Aber meiner Meinung nach ist er einer der attraktivsten Männer.» Seine Aura und Ausstrahlung machten wett, dass er nicht den Beauty-Standards «mit perfekter Nase und perfektem Gesicht» entspreche.

Sollen Frauen Männer in «medium ugly» und «hot» einteilen?

Männer fühlen sich alles andere als geschmeichelt. «Nenn eine Frau medium ugly und achte auf die Reaktion, was für eine Doppelmoral», schreibt ein User. Ein weiterer User sieht es ähnlich. «Wenn man das zu einer Frau sagt, dann wäre das total schlimm und man wäre ein Frauenhasser», schreibt er.

Einige Männer reagieren auch verunsichert. So zeigen sie sich in Videos mit nacktem Oberkörper und fragen ihre Follower, ob sie denn «medium ugly» seien.

Hotness-Rating mache Männer zu Objekten

Im Kampf für Gleichstellung wehren sich Frauen dagegen, auf ihr Äusseres reduziert zu werden. Trotzdem schrecken sie nicht davor zurück, Männer in Schönheitskategorien einzuteilen.

Niemand wolle gern bewertet werden – auch Männer nicht, sagt Markus Theunert, Gesamtleiter des Dachverbands Männer.ch.

Ein Hotness-Rating bloss aufgrund äusserer Attraktivität mache Männer zu Objekten, sagt Theunert. «Damit imitieren Frauen jenes Verhalten, das bei Männern als toxisch problematisiert wird.»

«Jenseits von Muskel- und Status-Klischees»

Dennoch sieht der Fachmann für Männer- und Geschlechterfragen den Trend auch positiv. Attraktivität sei vielschichtig, sagt er. Das Äussere sei ein Faktor. Wahrzunehmen, ob ein anderer Mensch visuell oder sexuell anziehe, sei allein noch keine Bewertung oder Abwertung.

Die Frauen machten Attraktivität nicht vom Aussehen abhängig, sondern achteten mehr auf soziale und emotionale Intelligenz oder Charisma. «Das finde ich einen durchaus emanzipatorischen Trend.» Denn das Aussehen verblühe, die innere Attraktivität bleibe.

Gender
Markus Theunert, Gesamtleiter des Dachverbands Männer.ch, sieht im «medium ugly guy» auch einen emanzipatorischen Trend. - Screenshot / SRF

Spannender findet Theunert die Frage, wie Männer einen solchen Trend als Chance sehen können. «Als Aufwertung von Anziehungsfaktoren, die Männer attraktiv machen, jenseits von allen Muskel- und Status-Klischees.»

«Männer sind unsicher»

Luca Aeschlimann ist Coach für authentische Männlichkeit und Leiter des Men's Club Zürich. «Als Mann bei Frauen zu fragen, ob sie ‹hot› oder ‹medium ugly› seien, ist ein Armutszeugnis», sagt er.

Es zeige, wo viele Männer in unserer Gesellschaft stünden. «Sie sind unsicher und abhängig von weiblicher Bestätigung.» Dabei sei Schönheit eine innere Haltung.

Viele Männer trauen sich laut dem Coach heute kaum noch, auf eine Frau zuzugehen oder proaktiv zu sein. Der Mann zögere, etwas zu riskieren, wenn er nicht sicher sei, ob die Frau dies toll finde.

Als Beispiel nennt er das Öffnen der Restauranttür für die Dame oder das Zeigen seiner Zuneigung. «Oder ihr auch mal zu widersprechen.» Die eigene Wahrheit und ein Dafüreinstehen mache schön, ist Aeschlimann überzeugt. «Nicht eine bestimmte Form der Nase oder der Augen.»

Schlägt Trend auf Frauen zurück?

Dass beim «medium ugly guy» die Ausstrahlung im Zentrum steht, bewertet der Männercoach positiv. «Das ist eine wunderbare Möglichkeit für die Männer, sich weniger mit ihren Muskeln und ihrem Status zu beschäftigen.» Vielmehr könnten sie sich dadurch die Frage stellen, wofür sie eigentlich stünden und was ihr Vermächtnis sein solle.

Doch könnte es für Frauen zum Boomerang werden, wenn sie Männer nach Schönheit sortieren? Katja Rost, Soziologieprofessorin an der Universität Zürich, hält dies unter gewissen Umständen für möglich.

«Es kann passieren, dass sich Männer wieder dazu legitimiert fühlen, Frauen auf ihr Äusseres zu reduzieren», sagt Rost. Das Problem seien die Bubbles, die sich auf sozialen Medien bildeten. «Wenn die jeweiligen Geschlechter dort nur noch unter sich sind, entstehen Fronten

«Konfliktreicher Aushandlungsprozess»

Fest steht für Rost, dass sich die Geschlechternormen aktuell stark ändern.

«Frauen treten selbstbewusster auf als früher und schiessen manchmal vielleicht über das Ziel hinaus», sagt die Professorin. Beim «medium ugly guy» reduzierten sie nun Männer auf ihr Äusseres. «Das heisst aber nicht, dass Frauen das Rad zurückdrehen.» Vielmehr sei es Ausdruck des konfliktreichen Aushandlungsprozesses moderner Geschlechternormen.

Zu viel Bedeutung würde die Soziologin dem Trend zudem nicht beimessen. «Früher bewerteten Frauen im engen Freundeskreis das Aussehen von Männern», sagt sie. «Im Unterschied dazu machen soziale Medien dies heute leichter sichtbar.»

Männercoach Luca Aeschlimann verrät: «Jungs haben schon immer Frauen nach Aussehen ausgesucht und werden es auch weiterhin tun.» Doch ein Mann, der seine Wahrheit kenne, werde feststellen, dass Aussehen nicht alles sei.

Kommentare

User #2802 (nicht angemeldet)

SP ist auch Doppelmoral

User #1404 (nicht angemeldet)

Man weiss nie. Man muss echt aufpassen bei den Skeptiker. Staatsanwaltschaft in Obwalden eröffnete auch Verfahren gegen Trychler in der Schweiz. In Österreich wurde ein Freiheitstrychler, Skeptiker verurteilt. Mir tun die Buben leid. Wie kann man sich sowas zurechtreden, sehr bedenklich und im Zusammenhang mit Grund- und Menschenrechten einfach nur verwerflich.

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