Historiker sieht Übernahme der Sanktionen als Bekenntnis zur EU
Mit der Übernahme der EU-Sanktionen bekenne sich die Schweiz implizit zu einer Wertegemeinschaft und dem EU-Wirtschaftsraum, sagte der Schweizer Historiker Thomas Maissen. Diesen Schritt, den der Bundesrat gemacht habe, dürfe man nicht unterschätzen.

Er habe Verständnis für die Bedenkzeit der Schweiz, diesen Schritt zu machen, «bedeuten die nun beschlossenen Sanktionen doch einen Bruch mit der bisherigen Neutralitätspolitik», sagte Maissen in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen vom Montag.
Die EU sei es gewohnt, dass die Schweiz etwas länger brauche. «Vier Tage sind keine besonders lange Zeit, sofern die Umsetzung nachher greift.»
Würden jedoch zum Beispiel Umgehungsgeschäfte stattfinden oder wenn Neutrale die Märkte übernehmen würden, gerate die schweizerische Neutralität schnell unter den Verdacht der Schlaumeierei, dies sei in der Vergangenheit öfters der Fall gewesen. «Neutralität wird dann moralisch fragwürdig, wenn sie dem Neutralen nicht Nachteile bringt, zum Beispiel durch den Verzicht auf Rüstungsexporte, sondern ökonomische Vorteile.»
Neutralität eines Staates bedeute nicht, dass man es allen immer recht machen könne oder müsse, sie füge sich in die Völkerrechtsordnung ein, sagte Maissen weiter. Die SVP und andere Rechtspolitiker hingegen würden die Neutralität als Mittel einer nationalistischen Interessenpolitik verstehen. Ob der Ukraine-Krieg die Schweizer Neutralitätspolitik nachhaltig verändern werde, werde man erst in ein paar Jahren sehen. «Vorgeschoben scheinen mir Bedenken, damit könnte die Vermittlerrolle als neutraler Staat geschmälert werden.»
Die Kandidatur der Schweiz für den Uno-Sicherheitsrat sieht der Historiker derweil als Chance, politische Verantwortung mitzutragen. Maissen betont, die Schweiz habe unbestrittene Kompetenzen im Dialog zwischen verschiedenen Kulturen und Überzeugungen und könne diese im Uno-Sicherheitsrat zur Verfügung stellen.