Wladimir Putin profitiert sogar von Donald Trumps 50-Tage-Ultimatum
Das Ultimatum von Donald Trump beeindruckt Wladimir Putin kaum, sagen Experten. Russlands Präsident werde die 50-Tage-Frist wohl anders interpretieren.

Das Wichtigste in Kürze
- Donald Trump stellt Wladimir Putin ein Ultimatum und droht mit Strafzöllen.
- Ob er die Massnahmen tatsächlich umsetzt, ist fraglich, so Experten.
- Die 50-Tage-Frist wird von Putin wohl eher als «Zeitfenster für Gebietsgewinn» gesehen.
Nicht einmal, nicht zweimal, sondern ganze viermal: So oft ist Donald Trump bereits überzeugt gewesen, eine Einigung mit Wladimir Putin gefunden zu haben, sagt er.
Jetzt hat aber auch der US-Präsident eingesehen: Die Friedensverhandlungen kommen nicht auf einen grünen Zweig.
Deshalb hat Trump am Dienstag ein Ultimatum gestellt. Bis in 50 Tagen will er Fortschritte sehen, ansonsten erheben die USA sekundäre Strafzölle in Höhe von 100 Prozent.
Ausserdem verspricht Trump der Ukraine weitere US-Waffen – bezahlt durch die Nato-Staaten.
Doch: Lässt sich Putin von Trumps Ultimatum beeindrucken?
Durchführung fraglich
Tatsächlich steckt hinter Trumps Drohung einiges an Gewicht: «Wenn die Sekundärzölle tatsächlich kämen, dann wäre das ein harter Schlag für den Kreml», sagt Ulrich Schmid gegenüber Nau.ch. Er ist Professor für Osteuropastudien an der Universität St. Gallen.
Doch: «Die Frage ist zunächst, ob die USA diese Zölle tatsächlich verhängen würden.»
Sekundarzölle bedeuten, dass Sanktionen für Länder eingeführt werden, die weiterhin mit einem spezifischen Land handeln – in diesem Fall Russland.
Trumps Massnahmen würden also in erster Linie China und Indien treffen. «Und ob die USA den Handelskrieg gegen China wegen Russland weiter verschärfen würden, ist eine offene Frage», so Schmid.
Hinzu kommt: «Auch die US-Wirtschaft würde Schaden nehmen bei solch hohen Zöllen auf chinesische und indische Importe.»

Politikwissenschaftler Thomas Greven fügt an: «Zumindest gegen China würde es schwierig werden, diese Zölle zu verhängen.» Denn: «China hat mit den Seltenen Erden ein starkes Druckmittel.»
Politikwissenschaftler skeptisch
Reinhard Heinisch, Politikwissenschaftler an der Universität Salzburg, ist ebenfalls skeptisch: «Wer kann sich sicher sein, dass dies eine Kehrtwende ist und nicht Trumps übliches Hin und Her?»
Im besten Fall werde der US-Präsident die Ukraine mehr unterstützen als angekündigt. Doch auch das sei «auf Dauer zu wenig, um eine starke Verhandlungsposition zu haben».
«Im üblichen Fall» würden die Drohungen aber wohl gar nie umgesetzt: «Entweder wird Putin Trump mit etwas locken oder Trump verliert das Interesse», sagt Heinisch.

«Oder der MAGA-Basis schmeckt das gar nicht – und wieso sollte Trump ausgerechnet in der Ukraine politisches Kapital ausgeben wollen?»
Putin lässt sich von nichts abbringen
Laut Nicolas Hayoz würden die «Ultimaten» von Donald Trump so oder so von niemandem richtig ernst genommen – auch von Putin nicht: «Er wird kaum beeindruckt sein», sagt der emeritierte – also teilweise in den Ruhestand getretene – Professor für Mittel- und Osteuropastudien von der Universität Freiburg.
Im Gegenteil – die 50-Tage-Frist könnte Putin sogar angespornt haben. «Sie ist völlig unverständlich» und zeige einmal mehr: «Trump hat eigentlich weder eine Strategie noch ist er gewillt, Putin wirklich zu drohen: Mit Sanktionen, die sofort in Kraft gesetzt werden.»
Eine Reaktion von Putin käme erst dann, wenn er sich bedroht fühlen würde. «Und das wird noch lange nicht der Fall sein», so Hayoz.
Aber nicht nur Trump hat kaum Einfluss: «Putin wird auch weiterhin den Westen nicht ernst nehmen, weil dieser ihn bisher gar nie ernsthaft bedroht hat.»
Das Ultimatum werde daher von Putins Regierung anders interpretiert: «Es wird von russischen Kommentaren als ‹Zeitfenster› gesehen, um erst recht auf dem Schlachtfeld Fortschritte, beziehungsweise Gebietsgewinne, zu machen.»

Eine Reaktion, die bereits in Gang gesetzt scheint. Schmid berichtet: «Wir sehen in der Tat verstärkte russische Raketen- und Drohnenangriffe gegen ukrainische Städte, nicht nur in der Kriegszone.»
Putin macht «whatever it takes»
Und selbst wenn Donald Trump seine Drohung umsetzt: Die Chancen, dass sich Putin von weiteren Angriffen abhalten lässt, sind klein.
«Putin wird ‹whatever it takes› (deutsch: was immer es kostet) tun, um seine Ziele in der Ukraine zu erreichen», sagt Schmid. «Und das bedeutet einen massierten militärischen Einsatz zur Eroberung der vier im September 2022 eroberten ostukrainischen Gebiete.»
Putin habe längst «alle Brücken hinter sich abgebrochen», so der Osteuropaexperte. Strafmassnahmen nehmen wohl kaum noch Einfluss auf den Machthaber.
Donald Trump hinkt hinterher
Die Idee von härteren Sanktionen kommt eigentlich nicht von Donald Trump und ist auch nicht neu. Bereits am 1. April dieses Jahres hat der Senator Lindsey Graham zusammen mit weiteren Republikanern einen ähnlichen Vorschlag gemacht: 500 Prozent Strafzölle für alle Länder, die weiterhin mit Russland handeln.
Donald Trump zögerte mit der Durchführung. Erst über drei Monate später folgt nun die Umsetzung einer ähnlichen Initiative: Laut Schmid deutlich zu spät und «ein Hinterherhinken hinter den politischen Realitäten in den USA».
«Trump hat sehr spät eingesehen, dass Putin keine Friedensverhandlungen will, die nicht auf eine ukrainische Kapitulation hinauslaufen», urteilt der Osteuropaexperte.
Und die Drohung ist von Mängeln überzogen. «Sie ist stumpf», sagt Schmid: «Die Frist ist zu lang, die Umsetzung fraglich und der Inhalt bedeutet gegenüber der Initiative von Lindsey Graham eine deutliche Abschwächung der Sanktionen.»