Ousman Sonko, ehemaliger Innenminister Gambias, steht vor dem Bundesstrafgericht. Eine lebenslängliche Freiheitsstrafe wurde gefordert.
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Der angeklagte Gambier Ousman Sonko muss sich vor dem Bundesstrafgericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/PABLO GIANINAZZI

Die Bundesanwaltschaft hat vor dem Bundesstrafgericht eine lebenslängliche Freiheitsstrafe für den gambischen Ex-Innenminister Ousman Sonko gefordert, während dieser einen vollumfänglichen Freispruch verlangt. Verschiedene Fragen stellten sich bisher noch nie und werden letztendlich durch das Bundesgericht entschieden werden müssen.

Der 55-jährige Sonko blieb in seinem Schlusswort vor der Strafkammer der Bundesstrafgerichts seiner Linie treu. Er kritisierte, dass er seit sieben Jahren in Haft sei – unter demütigenden Bedingungen. Er rügte, dass das Plädoyer der Bundesanwaltschaft (BA) nicht übersetzt worden sei. Und er unterstrich, dass er die Folterungen nicht zu verantworten habe. Er hätte so etwas nie geduldet.

Sonkos Verteidigung: Kein systematischer Angriff

Das Land Gambia, das die BA und Opfer-Vertreterinnen im Laufe des mehrwöchigen Prozesses vor der Strafkammer beschrieben, unterscheidet sich von jenem, wie es Sonko und sein Verteidiger zeichneten. Den Ausführungen des Anwalts zufolge gab es keinen systematischen und ausgedehnten Angriff gegen die Zivilbevölkerung.

Die Anwendung des Artikels 264a des Strafgesetzbuches für Verbrechen gegen die Menschlichkeit erachtet er für die angeklagten Taten deshalb als unzulässig. Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass der Artikel nur für Taten gilt, die nach dessen Inkrafttreten 2011 begangen wurden.

Der besagte Artikel und die Frage der Anwendung und Verjährung stellten sich bereits im Fall des Liberianers Alieu Kosiah, der letztes Jahr zweitinstanzlich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer Freiheitsstrafe von 20 Jahren verurteilt wurde.

Vorsätzliche Tötungen waren nicht verjährt

Die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts ist der Ansicht, dass die 2011 in das Schweizer Recht eingeführte Bestimmung anwendbar sei. Dies sei auch dann der Fall, wenn die Taten bis in die frühen 1990er-Jahre zurückreichten, da die angeklagten vorsätzlichen Tötungen nicht verjährt waren.

Es handelte sich um die erste Anwendung dieses Straftatbestands in einem Urteil in der Schweiz. Sonkos Verteidiger vertritt unterdessen auch Kosiah. Er hat das Urteil ans Bundesgericht weitergezogen. Dieses wird letztinstanzlich über diese Frage entscheiden.

Die von der BA in fünf Themenblöcke aufgeteilte Straftaten in der Zeit von 2000 bis 2016 betrachtet der Verteidiger als nicht zusammenhängende Einzeltaten, welche demnach nicht unter den Begriff des systematischen Angriffs fallen würden. Und die Befugnisse seines Mandanten, der in der angeklagten Zeitspanne eine steile Karriere machte und stetig aufstieg, umschrieb er so, dass er als Mittäter für die Tötungen, Folterungen, Vergewaltigungen und Freiheitsentzüge nicht infrage kam.

Gambias dunkle Seite: Ein repressives Regime

Dies steht im Gegensatz zu dem, wie die BA und die Anwältinnen der Opfer die Situation in Gambia in der betreffenden Zeit schilderten. Sie stützten sich neben den Aussagen der Opfer auf weitere Befragungen, Aussagen von Personen vor der gambischen Wahrheitskommission (Truth, Reconciliation and Reparations Commission – TRRC), Veröffentlichungen von Medien und Berichten internationaler Organisationen wie den Vereinten Nationen.

In diesem Gambia bestand unter dem Ex-Präsidenten Yahya Jammeh ein repressives Regime, das mit Gewalt gegen Oppositionelle und kritische Journalisten vorging. Ein System, in dem Polizei, Geheimdienst, Gefängnisse und paramilitärische Einheit Junglers zur Aufrechterhaltung des Machtapparats zusammenarbeiteten.

Sonko verlangt Entschädigung für in Haft verbrachte Zeit

Die Erklärungen Sonkos und des Verteidigers warum er in den angeklagten Fällen nicht über entsprechende Machtbefugnisse verfügt habe, wirkten oft sperrig. So verwiesen sie beispielsweise auf offiziell festgehaltenene Befugnisse der jeweiligen Funktionen, die Sonko innehatte.

Thema war auch die Verurteilung eines Junglers in Deutschland zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Mann wurde für schuldig befunden zwischen 2003 und 2006 drei Personen getötet zu haben.

Für die seit dem 25. Januar 2017 in Haft verbrachte Zeit verlangt Sonko eine Entschädigung von 200 Franken pro Tag – total 519'000 Franken. Zudem will er für mutmasslich rechtswidrige Haftbedingungen mit rund 290'000 Franken entschädigt werden.

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