«Dog Lives Matter»: Tierrechtler kriegen für Plakat aufs Dach

Rowena Goebel
Rowena Goebel

Solothurn,

Nachdem das Veterinäramt in Ramiswil SO 120 vernachlässigte Hunde tötete, haben Tierschützer eine Mahnwache gehalten. Ein Slogan sorgt dabei für Stirnrunzeln.

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Kürzlich hielten Tierrechts-Aktivisten eine Mahnwache für die getöteten Hunde von Ramiswil ab. - Facebook / Anihelp Tierhilfe

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Tierquälerei-Skandal in Ramiswil sorgt noch immer für Erschütterung.
  • Vor wenigen Tagen hielten Tierschützer eine Mahnwache für die getöteten Hunde.
  • Bei einem Plakat haben sie sich aber im Ton vergriffen, finden Anti-Rassismus-Aktivisten.

Kerzen, traurige Gesichter und Protestplakate: Nachdem das Veterinäramt in Ramiswil SO 120 vernachlässigte Hunde getötet hat, hielten Tierfreunde eine Mahnwache.

Es nahmen rund 300 Personen teil. Organisiert wurde der Anlass von der Tierschutzorganisation Anihelp. Gedacht als eine Geste für Tierrechte, die aufrütteln soll.

Doch ein Slogan, den Aktivisten dabei auf ein Plakat kritzelten, sorgt für Stirnrunzeln: «Dog Lives Matter», steht auf einem Karton umgeben von Kerzen.

«Black Lives Matter»-Vergleich für Hunde irritiert

Eine Anspielung an die Anti-Rassismus-Protestbewegung «Black Lives Matter», kurz «BLM», in den USA. Eine Bewegung, die entstand, weil immer wieder Afroamerikaner durch Polizeigewalt sterben.

Ein besonders erschütternder Fall ereignete sich im Mai 2020 mit dem Tod von George Floyd. Er war von einem Polizisten minutenlang mit dem Knie am Hals fixiert worden.

Findest du die «Black Lives Matter»-Anspielung geschmacklos?

Ein Video davon verbreitete sich weltweit und löste grosse Empörung aus. Viele Menschen gingen daraufhin auf die Strasse, um gegen Rassismus, Polizeigewalt und ungerechte Behandlung schwarzer Menschen zu protestieren.

Dieser Vergleich der Tierrechts-Aktivisten mit der Anti-Rassismus-Bewegung stösst Menschenrechtlern sauer auf.

«Wir gehen davon aus, dass der Slogan nicht böswillig verfasst wurde. Er wirkt allerdings unwissend und ist deplatziert», sagt Kishor Paul von der Menschenrechtsorganisation Amnesty Schweiz zu Nau.ch.

«Die Parole ‹Black Lives Matter› sollte nicht abgewandelt werden», stellt er klar. Sie gehöre in den Zusammenhang der systematischen und rassistischen Gewalt gegen schwarze Menschen.

Parole «suggeriert falsche Gleichwertigkeit» mit «Black Lives Matter»

«Die Parole in andere Kontexte zu übertragen, suggeriert eine falsche Gleichwertigkeit zwischen grundlegend verschiedenen Situationen.»

Die Situation in Ramiswil ist eine völlig andere als die, die die «Black Lives Matter»-Bewegung ausgelöst hat. Darum findet Paul den Vergleich unangemessen.

Er betont, dass sich seine Einordnung nur auf den Slogan bezieht – die Organisation fokussiere sich auf Menschenrechte, nicht Tierschutzanliegen. Darum möchte er das Anliegen an sich auch nicht bewerten.

Es ist bekanntlich nicht das erste Mal, dass die «Black Lives Matter»-Parole zu aktivistischen Zwecken abgewandelt wird.

Auch Rechtsradikale wandelten Slogan ab

Auch kritisch sieht Philip Bessermann, Leiter der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, den Slogan.

Er warnt: Die Abwandlung von «Black Lives Matter» wirkt schnell wie eine Relativierung der Anliegen der Anti-Rassismus-Bewegung.

Er erinnert an andere Anspielungen auf die Parole. «Nach den BLM-Protesten in den USA tauchten rasch Slogans wie ‹All lives matter› oder ‹White lives matter› auf. Damit relativierten rechtsradikale Akteure die Anliegen der Bewegung», sagt er zu Nau.ch.

«Solche Abwertungen emanzipatorischer Proteste verurteilen wir klar. Im vorliegenden Fall gehen wir nicht von einer bewussten Anspielung in diesem Sinn aus», betont er zwar.

Engagierst du dich aktiv für Tier- oder Menschenrechte?

Trotzdem: «Die Verwendung eines solchen Slogans bleibt problematisch. Die unbeabsichtigte Gleichsetzung blendet die Perspektive von People of Color (Anmerkung der Redaktion: nicht-weisse Menschen) aus und kann verletzend wirken.»

Darum ist für ihn klar: «Man könnte auf solche Anlehnungen auch verzichten.»

Tierrechtler wegen Menschen-Vergleichen verurteilt

In der Vergangenheit mussten sich auch Gerichte schon mit politischen Vergleichen von Menschen- und Tierrechten auseinandersetzen.

Kishor Paul von Amnesty Schweiz erklärt: «Bezüglich Vergleichen von Menschen- mit Tierrechten gab es vor allem im Kontext von Antisemitismus immer wieder heikle Fälle.» Auch in der Schweiz gab es deshalb schon Urteile gegen Tierrechtler.

Die bekannte Tierschutzorganisation Peta wurde auf Europaebene verurteilt – wegen des Slogans «Holocaust auf dem Teller».

holocaust
Ein Gericht urteilte: Mit dieser Botschaft hat die Tierschutzorganisation Peta die Menschenwürde von Holocaust-Opfern verletzt. (Archivbild) - keystone

In diesem Fall hatten Tierrechtler die Tötung von Nutztieren für Fleisch mit dem Genozid der Nazis an Juden verglichen.

Das Gerichtsurteil: Damit wurde die Menschenwürde der Holocaust-Opfer verletzt.

Das sagen Tierschützer zur Kritik

Im Fall des «Dog Lives Matter»-Plakats ist nicht eindeutig bekannt, wer dahintersteckt. Die Organisation Anihelp, die die Mahnwache organisiert hat, war es jedenfalls nicht, wie Leiterin Cynthia Güntensperger zu Nau.ch sagt.

Trotzdem: Die Kritik der Menschenrechtler versteht sie nicht.

Nach der Tötung der 120 Hunde und der Beschlagnahmung anderer Tiere auf dem Hof von Ramiswil startete Anihelp eine Petition.

Sie fordert, dass die Kantone verpflichtet sind, solche Einschläferungen zu dokumentieren und die Zahlen zu veröffentlichen.

20'000 Menschen fordern nach Ramiswil strengere Regeln

Weiter will Anihelp mit der Petition eine Meldepflicht für Massen-Einschläferungen erreichen. Die Veterinärämter sollen ab fünf Tötungen den Bund informieren müssen.

Zudem soll es dafür in Zukunft strengere Regeln geben. Unter anderem verlangt die Petition eine ärztliche Zweitmeinung vor jeder Einschläferung.

Braucht es strengere Regeln für den Umgang mit vernachlässigten Tieren?

Mindestens zwei Fachpersonen müssten demnach also bescheinigen, dass ein Tier unheilbar krank oder aggressiv ist. Ansonsten soll keine Tötung erlaubt sein.

Die Petition betont: «Wirtschaftliche oder kapazitätsbedingte Gründe dürfen niemals alleinige Grundlage sein.»

Die Petition wurde inzwischen über 20'000 Mal unterzeichnet.

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