Jean-François Roth, ehemaliger Regierungspräsident des Kantons Jura, äussert sich kritisch zur aktuellen Lage seines Kantons.
Jura
Der Kanton Jura: 50 Jahre nach Abstimmung. (Symbolbild mit Kantonsflagge) - sda - KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Der Kanton Jura muss sich nach den Worten des ehemaligen Regierungspräsidenten Jean-François Roth selbst infrage stellen, um wieder auf die Beine zu kommen. Der einst rebellische Jura habe «ein wenig die Flamme seiner Anfänge verloren», sagte der frühere CVP-Politiker im Hinblick auf das 50-jährige Bestehen des Kantons am 23. Juni 2024.

Roth hatte sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen, blieb aber ein privilegierter Beobachter seines Kantons, den er von 1987 bis 1994 als damaliger CVP-Vertreter (die heutige Mitte) im Ständerat vertrat. Von 1999 bis 2004 war er Regierungspräsident des jüngsten Kantons und 1999 auch Bundesratskandidat.

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA blickte Roth verständnisvoll, aber auch kritisch auf die Entwicklung des Kantons: «Der Jura ist ziemlich ruhig geworden. Ich bin mir nicht sicher, ob er heute noch die Idee verkörpert, die man bei seiner Gründung gehabt hat. Die Zeichen, die an die rebellische Seite von damals erinnern könnten, sind selten geworden», sagte er.

Roth bedauerte die schwierige finanzielle Lage des Kantons. Er wies dabei auch auf einen Mangel an Projekten hin. Eine Situation, die für den öffentlichen Dienst besonders demoralisierend sei und sich in mehreren Abgängen von Führungskräften in der Verwaltung äussere.

Strukturelle Überprüfung gefordert

Die Funktionsweise des Staats sollte gemäss Roth auf struktureller Ebene von Grund auf überprüft und Stärken und Schwächen analysiert werden. Der ehemalige Minister fragte sich auch, ob der Kanton technologisch angemessen ausgerüstet ist, um all seine Aufgaben angesichts der sich häufenden Verzögerungen bei der Entscheidfindung gut zu erfüllen.

Der Kanton müsse sich in Bereichen engagieren, in denen eigentlich die Gemeinden zuständig sein sollten, so zum Beispiel bei Baugenehmigungen. In diesem Zusammenhang würde Roth mehr Gemeindefusionen begrüssen.

Er hielt es auch für unangemessen, eine Struktur mit drei Bezirken (Delsberg, Pruntrut, Freiberge und bald auch noch Moutier) aufrechtzuerhalten, während die Kräfte eigentlich gebündelt werden sollten. Ein einziger Bezirk würde laut Roth ausreichen.

Ungeklärte Mobilitätsfragen

Hintergrund sind die immer wiederkehrenden finanziellen Probleme des Kantons: «Der Jura ist auf dem besten Weg, ein negatives Nettovermögen zu haben», sagte Roth.

Fünfzig Jahre nach dem Plebiszit vom 23. Juni 1974 könne der Jura natürlich stolz auf sich sein: Das Kultur- und Vereinsleben sei reich, die Gründung des Théâtre du Jura ein grosser Erfolg und die Jurafrage habe sich beruhigt, so Roth weiter.

Bei den Fehlschlägen erscheint die einseitige französische Entscheidung, Ende 2025 die Bahnlinie Delle-Belfort zu schliessen, «wie eine schlechte Fabel». Die Bahnlinie war mithilfe des Bundes für viel Geld saniert worden. In der Zwischenzeit bleibe die Frage der Mobilität, insbesondere bei den grenzüberschreitenden Strömen, ungelöst, so der ehemalige Regierungspräsident des Kantons.

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