Das Luder mit der Engelslarve – Von der Sex- zur Staatsaffäre
Die Geschichte von Josette Bauer gleicht einem brisanten Krimi: «Die letzte Hexe von Genf» war in einen Mord und später in eine Staatsaffäre verwickelt.

Das Wichtigste in Kürze
- Josette Bauer und ihr Mann wurden 1961 wegen Mordes an Josettes reichem Vater verurteilt.
- Der «letzten Hexe von Genf» gelang 1964 die Flucht.
- Jahre später löste sie eine Staatsaffäre aus.
Man nannte Josette Bauer «die letzte Hexe von Genf». Denn um ihren ausschweifenden Lebensstil zu finanzieren, brachte ihr Mann ihren Vater um. Doch das waren Kinkerlitzchen verglichen mit dem, was folgte: Josette verpfiff einen Drogenring und löste eine Staatsaffäre aus.
Der Mord am leidlich reichen Kleinunternehmer Léo Geisser in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1957 war ein Overkill – sieben Stiche in Brust und Rücken, dazu zahllose Schläge mit einem stumpfen Gegenstand. Da war eine grössere Wut am Werk als das blosse Ressentiment gegen einen geizigen Schwiegervater.

Die Bauers waren eines jener Paare, von denen man denkt: «Wie hat der die bloss gekriegt und warum hat die den genommen?» Josette Bauer geborene Geisser war eine natürliche Schönheit mit einer kindlichen Ausstrahlung. Sie hatte aber mondänen Vorlieben, war süchtig nach rassigen Sportwagen, reinrassigen Pferden und rässen Mannsbildern, die was zu bieten hatten.
Richard Bauer dagegen war in jeder Hinsicht mittelmässig, ein klassischer «Bürogummi». Der einzige Ehrgeiz, den er jemals im Leben entwickelte, war der, von Josette geliebt zu werden... oder zumindest geachtet... oder im Minimum wahrgenommen...
Sie war noch ein Teenager gewesen, als sie Richard heiratete. Sie wollte weg von ihren Eltern, die sie seit der Scheidung hin- und herschoben. Weg vom Vater, der von einem stürmischen Liebesleben mit jungen Damen in Anspruch genommen wurde! Fort von der Mutter, die Liebe und Scheckheft verwechselte!
Erbe war schnell aufgebraucht
Mit Richard tat Josette einen ungeplanten Glücksgriff: Kurz nach der Hochzeit starb sein Vater und hinterliess dem jungen Paar eine Villa und ein paar hunderttausend Franken. Doch das Erbe schmolz wie Buttercrèmetorte in der Sauna, bald war nichts mehr da. Wenn ihr Vater stürbe, würde sie erben, sagte Josette einmal im Scherz. «Dicky», wie sie ihn nannte, horchte auf.
Er reiste nach Marseille und kaufte sich ein Schiesseisen. Ihr kam seine Abwesenheit zupass, sie hatte mehrere Liebhaber zu betreuen. Zum Testschiessen im Wald ging sie mit, doch die Pistole funktionierte nicht, typisch Dicky! Mehrmals begab sich Richard abends vor die Villa des Schwiegervaters – nur um unverrichteter Dinge zurückzukehren.
Josette machte sich lustig darüber, auch am 8. November 1957, bevor sie mit einem ihrer Geliebten in Rolle um die Häuser zog... Als sie zurückkam, gestand Richard ihr den Mord und sie ihm ihre Seitensprünge.
Dann half sie ihm, seine blutigen Klamotten zu verbrennen. Das sollte ihr vor Gericht nicht zum Vorteil gereichen...

Fast zwei Jahre benötigten die Genfer Strafverfolgungsbehörden, um einen wasserdichten Fall zusammenzuschustern. Ausschlaggebend war ein Haushaltsgegenstand: Dicky, der Tölpel, hatte die Reste des Besens, aus dem er den «stumpfen Gegenstand» fabriziert hatte, im Hause behalten.
Vor Gericht im Herbst 1959 beharrten er wie sie darauf, dass Josette nichts damit zu tun habe. Die Jury mochte das nicht glauben. Eine Frau mit so einem liederlichen Lebenswandel war prädestiniert für ein Verbrechen aus Habgier!
Dass sie beim Schusswaffentest im Wald mit dabei gewesen war und später bei der Spurenbeseitigung half, waren Indizien. Richard erhielt 15, Josette 8 Jahre Zuchthaus.
Josette Bauer flüchtete im Jahr 1964 aus dem Gefängnis
Im Gefängnis entdeckte die unschuldige Vatermörderin die Frauenliebe - und blieb dabei. Denn während Männer sie in den Knast brachten – Dicky war nicht der letzte – gaben Frauen ihr die Freiheit. Ihre Kerkergeliebte Claudine und eine Kollegin von draussen halfen ihr, im Herbst 1964 aus dem Berner Frauenspital abzuhauen.
Josette war der Ansicht, sie hätte sich die Freiheit verdient. Sie hatte zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen - normalerweise der Zeitpunkt, um auf Bewährung entlassen zu werden.

Nicht so für Josette. Ihre Anträge wurde durch alle Instanzen abgelehnt. Einmal Hexe, immer Hexe.
Auf ihrer Flucht, die 17 Jahre lang dauern sollte, erlebte Josette genug Stoff für einen Thriller, wenn nicht zwei. Sie liess sich in Paris das Gesicht operieren - «schön oder hässlich, egal, Hauptsache anders», sagte sie zum Chirurgen. Sie arbeitete als Pferdetrainerin in Spanien und Algerien. Danach war sie als Lasteselin für den Drogenhänlder-Ring French Connection und als Singvögelchen für das FBI tätig.
Drogen-Schmuggel in die USA
Josette hiess nun Paulette Fallai und besass gültige Papiere, gekauft von einer Behinderten, die sie nicht benutzte. Im August wurde sie in Port Everglades, Florida, zusammen mit dem Lausanner Kleinkriminellen Willy Lambert verhaftet. Die beiden hatten 28 Pfund Heroin ins Land geschmuggelt - damals US-Rekord.
Die Schweiz beantragte die Auslieferung, gemäss einem Abkommen von 1900. Doch Josette ging einen Deal ein: Informationen über die Hintermänner der French Connection im Austausch gegen die Ablehnung der Auslieferung und eine reduzierte Haftstrafe.
Sie habe ein exzellentes Gedächtnis für Namen, Daten und Orte gehabt. Das hiess es später in Memos der Staatssekretäre Henry Kissinger und Cyrus Vance. Die USA waren ihr zu Dank verpflichtet; sie erhielt 7 statt 40 Jahre Haft und das Versprechen, nicht ausgeliefert zu werden. Und als sie nach zwei Jahren aus dem Gefängnis ausbrach, drückten die Behörden beide Augen zu.
1981 folgte schliesslich die Ausweisung
Der Wind drehte 1981: Der Kopf der Drogenbande, den Josette hatte hochgehen lassen, starb, von ihm hatte sie nichts mehr zu befürchten. Und die Schweiz gewann als Vermittlerin in der Geiselaffäre von Teheran für die USA an Bedeutung. Beides mündete in Josettes Auslieferung.
Sie musste ein paar Monate ihrer verbliebenen zweieinhalb Jahre absitzen. Die Organisation Terre des femmes wollte ihre vorzeitige Entlassung erreichen, aber Josette lehnte das entschieden ab: Es wäre einem Schuldeingeständnis gleichgekommen. Und sie hatte doch für den Tod ihres Vaters nichts gekonnt!
2001, da war Josette 65 und hatte noch drei Jahre zu leben, widerfuhr ihr ein letzter Skandal: Bei der Präsentation ihrer Biografie «Une femme en cavale» auf der Genfer Buchmesse wurde sie vor Publikum als Hure beschimpft. «Kaufen Sie diesen Schund nicht!» beschwor eine Dame die Messebesucher.
Es war der letzte Versuch, den Scheiterhaufen anzuzünden...