Eine Mehrheit von Experten geht davon aus, dass das Coronavirus, selbst wenn einmal der Grossteil der Weltbevölkerung geimpft sein sollte, bleiben wird.
Coronavirus
Coronaviren unter dem Mikroskop. - National Institutes of Health/AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Coronavirus wird irgendwann in den Hintergrund – aber nie ganz – verschwinden.
  • Davon geht inzwischen die Mehrheit der Experten aus.
  • Je schneller man die Weltbevölkerung impft, desto schneller wird dieses Szenario Realität.

Das Coronavirus Sars-CoV-2 wird bleiben, selbst wenn einmal der Grossteil der Weltbevölkerung geimpft sein sollte – davon geht inzwischen die Mehrheit der Experten aus. Die viel erwähnte Herdenimmunität ändert daran nichts. Sie bedeutet, dass grosse Infektionswellen unwahrscheinlich werden, nicht aber, dass das Virus verschwindet.

Unwahrscheinlich wird ein Verschwinden des Coronavirus auch durch das Auftreten immer neuer Varianten. Wichtig wird es darum sein, die Verbreitung bekannter und neu auftauchender Mutanten dauerhaft zu überwachen – zum einen, um Impfstoffe anpassen zu können, und zum anderen, um beginnende grössere Ausbreitungswellen früh zu bemerken.

Coronavirus - Impfung
Mehrere Spritzen mit Comirnaty-Impfstoff gegen das Coronavirus des Herstellers Biontech/Pfizer liegen in einer Praxis zur Verimpfung bereit. - dpa

Da es sich um ein globales Problem handle, sei eine internationale Struktur nötig, erklärte Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses an der Schweizer Universität Genf.

«Besonders jene Regionen, in denen der Zugang zu Impfstoffen limitiert ist und die noch lange auf eine Durchimpfung der Bevölkerung warten müssen und in denen gleichzeitig weitgehend unkontrollierte Viruszirkulation stattfindet, stellen Risikogebiete für neue Varianten dar.» In die Überwachung müssten auch bestimmte Nutz- und Wildtierpopulationen eingeschlossen werden.

Grippe-Impfstoff als Vorbild

Ein Vorbild könne das Influenza-Überwachungssystem für die jährlichen Grippewellen sein, betonte Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Schweizer Universität Basel.

«Hier besteht seit Jahren ein globales Netzwerk, das Influenzaviren sammelt und Inzidenzen misst.» Alle sechs Monate gebe es eine Empfehlung für die Zusammensetzung des Grippe-Impfstoffs. Auch bei Covid-19 werde vermutlich eine regelmässige Aktualisierung der Impfstoffe nötig sein.

AstraZeneca
Ein junger Mann wird in Nottingham mit AstraZeneca gegen das Coronavirus geimpft. - AFP

Der momentane Stand sei, dass die verfügbaren Impfstoffe gegen Varianten wie Alpha und Delta in Bezug auf Ansteckungen etwas weniger wirksam sind, gegen sehr schwere Verläufe aber weiterhin sehr gut schützen, erklärte Annelies Wilder-Smith, Professorin für neu auftretende Infektionskrankheiten an der London School of Hygiene and Tropical Medicine in Grossbritannien.

Bevölkerung rasch impfen als oberstes Ziel

«Da die Senkung der Sterblichkeitsrate das wichtigste Ziel der öffentlichen Gesundheit in der derzeitigen Phase der Pandemie ist, sollte der Schwerpunkt weiterhin darauf liegen, einen grösseren Anteil der Bevölkerung rasch zu impfen, anstatt Auffrischungsdosen bereitzustellen.»

Dies sei umso wichtiger, als die Welt nicht einmal über genügend Impfstoffe verfüge, um jedem auch nur eine erste Dosis zu verabreichen, so Wilder-Smith. Eine rasche Durchimpfung der Bevölkerung sei zudem die beste Strategie, um die Entwicklung von bedenklichen Varianten zu reduzieren.

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Auf einem Tisch in einer Hausarztpraxis liegen bzw. stehen Spritzen und Ampullen mit dem Covid-19 Impfstoff des schwedisch-britischen Pharmakonzerns AstraZeneca. - dpa

«Global ist die wichtigste Massnahme die möglichst schnelle und breite Durchimpfung, so dass dem Virus weniger Gelegenheit gegeben wird, durch evolutionären Druck neue Varianten entstehen zu lassen», betonte auch Eckerle.

Es scheine erfreulicherweise so zu sein, dass bei den Varianten oft die gleichen Mutationen entstünden - das Coronavirus habe womöglich nur ein begrenztes Repertoire an Mutationen, um sich besser anzupassen.

Coronavirus wird Klinikalltag

«Wenn es zeitnah auch Impfstoffe gegen Varianten geben wird, die diese Mutationen abdecken, könnte sich ebenso eine recht stabile Situation einstellen, in der das Auftreten von immer weiteren, neuen Varianten ausgebremst wird.»

Sind vor allem die Gruppen mit hohem Risiko, schwer zu erkranken, weitgehend durchgeimpft, bedeutet das auch Entlastung für die Kliniken – und ein Ende «pandemischen Denkens», sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN), Christian Karagiannidis, am Dienstag.

Künftig werde das Coronavirus eine Erkrankung des Klinikalltags werden und den Schrecken einer in Wellen verlaufenden Pandemie verlieren – man gehe «in eine chronische Phase» über.

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