Das Coronavirus beeinträchtigt die psychische Gesundheit der Schweizer. Panikattacken und Angststörungen nehmen zu. Das sagt die Angst- und Panikhilfe Schweiz.
Frauen Hände umklammern ein Halstuch.
Während einer Panikattacke einen klaren Kopf zu behalten, ist schwer. Dennoch gibt es Möglichkeiten, aus diesem Zustand rauszukommen. - Alessandra Farraone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das Coronavirus führt bei vielen Leuten zu psychischen Problemen.
  • Angststörungen und Panikattacken nehmen massiv zu.
  • Die Hotline der Angst- und Panikhilfe Schweiz (APHS) läuft heiss.

Das Coronavirus wirkt sich auf die psychische Gesundheit der Menschen aus. Das zeigt die neuste Studie im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG). Jobunsicherheit, finanzielle Probleme und Zukunftsängste können das psychische Wohlbefinden beeinträchtigen.

Keine Frage, die Pandemie hat sich auf das Wohlbefinden, das Stressempfinden sowie Angst und Depressivität auf viele Menschen negativ ausgewirkt.

Die Massnahmen zur Eindämmung des Virus haben derweil vor allem die unter 30-Jährigen stärker getroffen: Vor allem bei dieser Altersgruppe erhöhten sich die Werte von Stress, Angst, emotionalen Problemen oder Konzentrationsstörungen.

Wir fragen nach bei Elena Kangsar, Hotline-Mitarbeiterin bei der Angst- und Panikhilfe Schweiz (APHS) in Bern.

Nau.ch: Frau Kangsar, wie hat sich Ihr Alltag bei der APHS wegen Corona verändert?

Die Anfragen sind diesbezüglich intensiver geworden. Corona ist für viele, die bereits davor eine unbewusste Angststörung hatten, ein Auslöser. Es sind vermehrt genau solche Leute, die sich jetzt seit der Pandemie melden.

Nau.ch: Welche Art von Anfragen erhalten Sie zurzeit? Und wie viele?

Viele wissen zum Beispiel nicht genau, was sie haben und warum es ihnen so geht – vor allem in dieser Zeit. Da bieten wir Aufklärung an. Und jemand, der ihnen zuhört. Denn oft hilft es ihnen, einfach jemanden zu haben, der einen versteht. Dadurch merken auch immer mehr Leute, dass sie professionelle Hilfe benötigen. Hier bieten wir dann gerne eine Therapievermittlung an.

Die Bedrohung durch Covid-19 verfolgt manchen Menschen bis in ihre Träume. Foto: Christin Klose/dpa-tmn
Die Bedrohung durch Covid-19 verfolgt manchen Menschen bis in ihre Träume. Foto: Christin Klose/dpa-tmn - dpa-infocom GmbH

Nau.ch: Haben Sie genügend Leute, um alle Anfragen zu bewältigen?

Die Anzahl Anfragen variiert stark. Aktuell ist die Hotline ausgelastet. Es fehlt uns an Fachkräften und Ärzten. Wo man vor Corona leicht einen Termin gefunden hat, haben nun auch Psychologen und Psychiater kaum mehr freie Plätze. Es gibt aber alternativ auch unser Corona-Sorgentelefon, woran sich Betroffene auch wenden können.

Nau.ch: Wie viele Menschen in der Schweiz leiden an Angststörungen und Panikattacken?

Fast 20 Prozent der Bevölkerung leidet mindestens einmal im Leben unter sehr starken oder anhaltenden Ängsten. Tendenz steigend. Das zeigen Zahlen der Schweizerischen Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD).

Nau.ch: Welches sind die typischen Symptome?

Verstärkter und beschleunigter Puls, Schweissausbruch, kalte Hände, Unsicherheit, Zittern, weiche Knie. Aber auch Mundtrockenheit, Atembeschwerden, Beklemmungsgefühl, Brustschmerzen oder Herzrasen. Hinzu kommen können Übelkeit oder Magen-Darm-Beschwerden, Schwindel und Kopfschmerzen sowie das Gefühl, dass die Objekte unwirklich sind. Man hat das Gefühl, «neben sich zu stehen» oder flüchten zu müssen. Man hat Angst vor Kontrollverlust, «auszuflippen» und vor allem Angst zu sterben.

Panikattacke
In der Schweiz leiden rund 20 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal in ihrem Leben unter einer Angststörung oder einer Panikattacke. - Pexels

Nau.ch: Was sind die Auslöser?

Angststörungen entstehen meist durch eine Kombination verschiedener Faktoren. Eine genetische Veranlagung kann vorliegen, leichter als andere Menschen mit Angst auf bestimmte Situationen oder Reize zu reagieren. Wenn dann noch weitere Faktoren wie Dauerstress oder Trauma dazukommen, kann dies eine Angststörung auslösen. Auch belastende Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen oder ein plötzlicher Jobverlust sind häufig der Auslöser für eine Angststörung.

Nau.ch: Wer kriegt Angststörungen?

Es kann wirklich jeden treffen, in jeder Situation.

Nau.ch: Und wie rasch kommt man wieder raus?

Je früher man mit einer Therapie anfängt, desto besser ist es behandelbar. Grundsätzlich ist eine Angsterkrankung gut therapierbar.

Elena Kangsar
Elena Kangsar, Hotline-Mitarbeiterin bei der Angst- und Panikhilfe Schweiz (APHS) in Bern. - zVg

Nau.ch: Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die kognitive Verhaltenstherapie bei Angsterkrankungen die höchsten Erfolgschancen hat. Nicht ausschliesslich aber begleitend kann jede Form der Alternativmedizin mithelfen. Ganz nach dem Motto «Was tut mir gut?».

Haben Sie auch schon einmal eine Angst- oder Panikattacke erlebt?

Nau.ch: Welche einfachen Tipps und Tricks geben Sie Ihren Kunden zur Bewältigung von Panikattacken im Alltag?

Was im ersten Moment für die Klienten sehr effizient, aber vielleicht abschreckend ist, ist die Konfrontation mit der Angst. Das heisst: sich bewusst in Situationen, die die Angst auslösen könnte, begeben. Was ich sehr gerne weitergebe, ist der Trick mit dem Stein: Man sucht sich draussen einen Stein, hält ihn in der Hand, drückt in fest zusammen und lässt ihn langsam wieder los. Da der Angstklient eher unter Anspannung leidet, ist das eine gute Möglichkeit, dem Gehirn auch die Entspannung zu signalisieren. Auch die Muskelentspannung nach Jacobsen ist eine vorbeugende und gute Methode, der Angst entgegenzuwirken.

Nau.ch: Wie gehen Mitmenschen mit Leuten mit Angstattacken am besten um?

Oftmals können Mitmenschen nicht nachvollziehen, wie sich eine Angsterkrankung anfühlt und handeln darum eher mit Unverständnis. Darum bemüht sich die APHS, die Leute darauf zu sensibilisieren und aufzuklären.

* Die APHS publiziert halbjährlich ein Magazin, darin sind viele hilfreiche Informationen über dieses Thema enthalten. Das Magazin kann im Onlineshop der APHS bestellt werden.

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