Der syrische Machthaber Assad droht mit dem Sturm auf die letzte grosse Rebellenhochburg Idlib. Vieles hängt davon ab, ob Putin ihn davon abhalten kann.
In der syrischen Provinz Idlib steigt nach einem Angriff Rauch auf.
In der syrischen Provinz Idlib steigt nach einem Angriff Rauch auf. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Der syrische Machthaber Assad will die Rebellenhochburg Idlib stürmen.
  • Russland sucht Geldgeber für den Wiederaufbau von Syrien.
  • Mit der Türkei droht die Konfrontation.

«Idlib ist nun das nächste Ziel», sagte der syrische Diktator Baschar al-Assad Ende Juli. Nun ist laut der regierungsnahen syrischen Zeitung al-Watan das grösste Truppenaufgebot seit 2011 auf dem Vormarsch auf die Region im Norden. Bis zu drei Millionen Menschen leben in der Region, 40 Prozent davon sind syrische Binnenflüchtlinge. Rund 70'000 zählen zu bewaffneten Rebellengruppen.

Mit der Offensive auf die letzte grosse Hochburg der Rebellen könnte Assad erneut eine grosse Flüchtlingskrise auslösen. Hunderttausende müssten dann aus der Region in die benachbarte Türkei flüchten. Für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nicht nur deshalb eine «rote Linie». Er ist deswegen bemüht, mit Russland und dem Iran – beide unterstützen Assad in Syrien – eine Lösung zu finden, um die Offensive zu verhindern. Anfang September soll ein Treffen mit dem russischen Staatchef Wladimir Putin und dem iranischen Präsidenten Hassan Ruhani stattfinden.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani (l.) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (m.) und dem russischen Staatschef Wladimir Putin bei einem Treffen in Ankara im April 2018.
Der iranische Präsident Hassan Ruhani (l.) mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (m.) und dem russischen Staatschef Wladimir Putin bei einem Treffen in Ankara im April 2018. - Keystone

Drohende Flüchtlingskrise

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel warnt von einer erneuten Flüchtlingskrise. Am vergangenen Samstag, beim bilateralen Treffen mit Putin in Meseberg (D), sagte sie: «Wir müssen vermeiden, dass es in und um Idlib zu einer humanitären Katastrophe kommt.» Denn dann könnte auch Europa von einer nächsten Massenflucht betroffen sein.

Dass Putin bei Merkel war, hatte einen weiteren wichtigen Grund: Der Krieg in Syrien geht in eine entscheidende Phase, grosse Teile des Landes sind wieder unter Kontrolle der syrischen Regierung von al-Assad. Nun soll das Land wieder aufgebaut werden. Doch dafür werden konservativ geschätzt rund 250 Milliarden Dollar benötigt. Laut Assad sind sogar 400 Milliarden Dollar nötig.

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Der russische Präsident Wladimir Putin und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen im Schloss Meseberg nahe Berlin. - Keystone

Russland selbst hat die Unterstützung der Assad-Truppen so einiges gekostet. Seit September 2015 wurden mindestens 3,5 Milliarden Dollar ausgegeben. Und nun steckt man selbst in einer tiefen Wirtschaftskrise. Moskau kann deshalb den Wiederaufbau Syriens nicht alleine stemmen. Auch die von Wirtschaftsproblemen geplagte Syrien-Akteure Türkei und Iran werden nicht viel beitragen können. Mit der Unterstützung des US-Präsidenten Donald Trump unter seiner «America first»-Politik ist erst recht nicht zu rechnen. Deshalb soll nun Europa für den Wiederaufbau von Syrien zahlen.

Nichts führt an Assad vorbei

Klar ist, dass für ein stabiles Syrien momentan nichts an Baschar al-Assad vorbeiführt. Und an einem stabilen Syrien ist man in Europa in zweierlei Hinsicht interessiert: Nicht nur würde es eine Rückkehr von syrischen Flüchtlingen aus den umliegenden Ländern ermöglichen und somit die ganze Region beruhigen, sondern auch die ganze Flüchtlingsthematik innerhalb der EU würde etwas entlastet werden.

al-Assad Putin Ukraine Krieg
Spannen sie im Ukraine-Krieg bald zusammen? Der syrische Machthaber Baschar al-Assad und der russische Präsident Wladimir Putin. - dpa

Doch es gilt nicht zu vergessen, dass viele Syrer das Land wegen den Repressionen durch das Regime verlassen haben. Bei einer Rückkehr drohen ihnen erneute Repressionen oder gar die Verhaftung. Für Merkel ist deshalb klar, damit Europa beim Wiederaufbau in Syrien mithilft, braucht es politische Prozesse – etwa eine Verfassungsreform sowie mögliche Wahlen.

Konfrontation mit Türkei droht

Vieles hängt nun davon ab, ob es Putin gelingt, Assad vom Sturm auf Idlib abzuhalten. Zwar ist Assad nicht gewillt, sich mit Putin zu überwerfen, doch das oberste Ziel von Assad ist es weiterhin: «Jeden Zoll syrischer Erde zu befreien.»

Kommt es dennoch zum Angriff Assads auf die Provinz, wird zudem entscheidend sein, wie Erdogan reagieren wird. Türkische Truppen sind zur Überwachung der mit Russland und Iran vereinbarten Deeskalationszone in der Region Idlib stationiert. Überschreitet Assad die rote Linie, könnte es deshalb erstmals zu direkten Kampfhandlungen zwischen Assads Truppen und der türkischen Armee kommen.

Syrien mit der Stadt Idlib (roter Punkt).
Syrien mit der Stadt Idlib (roter Punkt).
Die Region Idlib im Nordwesten von Syrien, an der Grenze zur Türkei.
Die Region Idlib im Nordwesten von Syrien, an der Grenze zur Türkei.
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