«Mut zum Schweigen»
Einmal tief durchatmen – und dann: Einfach mal nichts ins World Wide Web hinausposaunen.

Wer online unterwegs ist, kommt an ihnen nicht vorbei: den selbsternannten Rittern der Wahrheit, die bewaffnet mit Tippkraft und Wut im Bauch durchs Internet ziehen.
Immer auf der Suche nach Empörung oder einfach aus hämischer Freude, mal wieder jemanden virtuell in den Senkel zu stellen.
Sobald also ein Beitrag erscheint, ganz egal ob übers Wetter, den Veganismus oder das Paarungsverhalten von Faultieren, dauert es keine fünf Minuten, bis jemand «Das muss jetzt mal gesagt sein!» tippt und den verbalen Flammenwerfer zündet. Anonym, versteht sich.

Aber warum nur sind viele online so gemein, wie sie es im echten Leben, wenn sie einem direkt in die Augen schauen müssten, nie wären?
Anonymität wirkt offenbar wie eine Tarnkappe für Anstand. Keine hochgezogene Augenbraue, kein betretenes Schweigen und deshalb: Feuer frei für Gift und Galle!
Selbstverständlich hat niemand etwas gegen konstruktive, anständig formulierte Kritik, aber einfach auf etwas eindreschen und jemanden niedermachen, wem bringt das was?
Gemäss Psychologen stecke dahinter oft gar keine Bosheit, sondern schlicht und ergreifend Frust. Die Welt ist kompliziert, der Chef nervt, der Nachbar mäht wieder sonntags …
Wenn Menschen also das Gefühl haben, ihre Stimme zähle sonst nirgendwo, greifen sie zu den Mitteln, mit denen sie irgendeine Wirkung spüren.
Manche wollen auch einfach «zurückschlagen». Gegen die Politik, die Medien, «die anderen».
Das Netz wird dann zum Ventil und Plattformen verbreiten nun mal gerne polarisierende, provokante oder hasserfüllte Kommentare, denn diese generieren mehr Klicks. Somit wird solches Verhalten indirekt belohnt.

Der Algorithmus liebt Lautstärke, nicht Weisheit. Deshalb wäre vielleicht gut, wenn wir alle ab und zu mal innehalten würden, bevor wir drauflos tippen.
Einmal tief durchatmen und einen Tee trinken. Und dann: Einfach mal nichts ins World Wide Web hinausposaunen.
Denn manchmal ist der klügste Kommentar derjenige, der gar nie veröffentlicht wurde.








