In Europa verursachen Erdbeben jedes Jahr rund 7,2 Milliarden Franken. Eine Forschungsgruppe hat nur untersucht, wo das Erdbebenrisiko am grössten ist.
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Ein Seismogramm zeichnet Schwingungen auf. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer wieder fordern Erdbeben tausende Opfer und verursachen grosse Schäden.
  • Nun haben Forschende ein neues Gefährdungs- und Risikomodell für Erdbeben entwickelt.
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Erdbeben in Europa verursachen im Schnitt jährlich Schäden von über sieben Milliarden Franken. Sie fordern fast tausend Menschenleben, wie das erstmals erstellte europäische Erdbebenrisikomodell zeigt. Angemessene Bauweisen könnten die Verluste mindern.

Erdbeben sind Naturgewalten, die sich weder präzise vorhersagen noch verhindern lassen. Grundlage, um die Schäden in Grenzen zu halten, bieten Gefährdungs- und Risikomodelle. Sie zeigen, welche Regionen am ehesten von starken Erschütterungen heimgesucht werden können, wo die zu erwartenden Auswirkungen am schadenintensivsten sind. Und welche Massnahmen dementsprechend ergriffen werden müssen.

ETH Milliardär
Studenten der ETH Zürich wollen die Mensa wegen der Preise boykottieren. - keystone

Ein Forschungsteam erarbeitete nun in einer Mammutaufgabe ein neues Gefährdungsmodell sowie das erste Risikomodell zu Erdbeben für Europa. Auch der Schweizerischen Erdbebendienste (SED) und die ETH Zürich waren daran beteiligt.

Es stelle «einen wichtigen Schritt für die Sicherheit Europas dar.» Das sagte Domenico Giardini, ETH-Professor für Seismologie, am Donnerstag anlässlich einer Online-Präsentation des Projekts. Dieses wurde von der Europäischen Union im Rahmen des Forschungsprogramms Horizon 2020 gefördert.

Hohes Risiko in Städten

Insbesondere städtische Gebiete, die zudem in Regionen mit einer hohen Erdbebengefährdung liegen, sind einem hohen Erdbebenrisiko ausgesetzt. Dazu zählen etwa Städte wie Istanbul und Izmir in der Türkei oder Catania und Neapel in Italien. Auch Basel trage ein überdurchschnittlich hohes Erdbebenrisiko, verglichen mit Städten wie etwa Berlin, Paris oder London.

Der Unterschied zwischen Erdbebengefährdung und Erdbebenrisiko besteht darin, dass die Gefährdung quasi eine naturgegebene Kennzahl ist. Sie beschreibt, wie stark der Boden in einem bestimmten Gebiet aufgrund der Geologie und Tektonik erzittern kann.

Die Erdbebengefährdungskarte beruht unter anderem auf einem Erdbebenkatalog, der tausende von Erdbeben unterschiedlichster Stärke enthält. Neu wurden diesem tausend historische Erdbeben hinzugefügt.

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Der Seismograf verzeichnet Ausschläge. (Symbolbild). - dpa

Zudem ergänzten die Forschenden das Modell mit über tausend zusätzlichen Kilometern an aktiven Verwerfungen. Entlang von diesen kann sich Energie in einem Erdbeben entladen. Diese Fortschritte hätten zu einer genaueren Einschätzung der Erdbebengefährdung geführt.

Anders als die Erdbebengefährdung zeigt das Erdbebenrisiko, welche Opfer und finanzielle Schäden bei einer Erschütterung zu erwarten sind. So kann die Erdbebengefährdung in einer Wüste beispielsweise gross sein, das Risiko mangels Menschen und Häusern hingegen sehr klein.

Vier Länder besonders durch Erdbeben gefährdet

Im Schnitt verursachen Erdbeben in Europa pro Jahr rund 7 Milliarden Euro (rund 7,2 Milliarden Franken) wirtschaftlichen Schaden. Wie die Forschenden festhalten, entfallen allein auf die Länder Türkei, Italien, Rumänien und Griechenland fast achtzig Prozent des Betrags.

Zudem seien über 75 Prozent der 900 Erdbebenopfern jährlich in Italien und der Türkei zu beklagen. Insbesondere nach veralteten Erdbebennormen konstruierte Stahlbetonskelette sowie niedrige Gebäude aus unarmierten Mauerwerken trügen zu den finanziellen und menschlichen Verlusten bei.

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Erdbeben verursachen rund 7,2 Milliarden Franken wirschaftlichen Schaden pro Jahr in Europa (Symbolbild). - Keystone

Die Zahlen bedeuteten nicht, dass tatsächlich jedes Jahr 900 Menschen durch Erdbeben ums Leben kämen. Das betonte Helen Crowley vom European Centre for Training and Research in Earthquake Engineering (Eucentre) in Pavia, Italien. Die Erde könne lang Zeit ruhig sein, und eine einzige, seltene starke Erschütterung könne dann auf einmal hohe Verluste verursachen.

Auch Schweiz ist ein Risikoland

Die Lösung ist, alle risikobehafteten Gebäude gemäss aktuellen Standards nachzurüsten. Schon wenn nur die Türkei und Italien dies tun würden, könnte die jährliche Anzahl Todesopfer in Europa halbiert werden. Die wirtschaftlichen Verluste hingegen würden um mindestens 30 Prozent sinken.

Auch die Schweiz zählt gemäss den Forschenden zu den Ländern mit einem höheren Erdbebenrisiko. Den wirtschaftlichen Schaden beziffern sie hierzulande auf 55 Millionen Euro (rund 57 Millionen Franken) jährlich.

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