Reibung und Verschleiss: Paradoxer Effekt der Physik geklärt
Reiben Metallflächen langsam aufeinander, ist die Gefahr eher gering, dass sich hoher Verschleiss einstellt. Steigen aber die Geschwindigkeiten, verändert das auch die Materialien aus nachvollziehbaren Gründen stärker.

Das Wichtigste in Kürze
- In der Vergangenheit wurde aber auch beobachtet, dass der Verschleiss bei sehr hohem Reibungstempo wieder abnimmt.
Wiener Physiker konnten die Hintergründe dafür nun im Fachblatt «Applied Materials Today» aufklären.
Dass bei höheren Geschwindigkeiten insgesamt mehr Energie im Spiel ist und die aneinanderscheuernden Flächen entsprechend stärker in Mitleidenschaft gezogen werden, leuchtet ein. Ab einer Reibungsgeschwindigkeit von rund 300 Metern pro Sekunde - immerhin in etwa die Höchstgeschwindigkeit, die Flugzeuge in der zivilen Luftfahrt erreichen - wird der Verschleiss aber paradoxerweise wieder geringer, heisst es am Dienstag in einer Aussendung der Technischen Universität (TU) Wien.
Während die Feinstruktur der Metalle bei mittleren Geschwindigkeiten zwischen 80 bis 100 Metern pro Sekunde knapp unter der Oberfläche komplett verändert bzw. zerstört wird, ist das bei extremem Tempo nicht so.
Durch die eingesetzte Energie komme man im mittleren Tempo «allmählich in einen Bereich, in dem sich das Metall verhält wie eine zähe Flüssigkeit, ähnlich wie Honig oder Erdnussbutter», so Studienleiter Stefan Eder vom Forschungsbereich Tribologie an der TU Wien.
Dabei werden die Kristallstrukturen des Metalls verformt, verdreht oder zerbrochen beziehungsweise können auch miteinander verschmelzen. Warum das bei besonders hohen Geschwindigkeiten nicht in dem erwartbaren Ausmass geschieht, wollten die Experten der TU und vom Exzellenzzentrum für Tribologie (AC2T research GmbH) in Wiener Neustadt zusammen mit Forschern vom Imperial College in London mittels aufwendiger Computersimulationen aufklären.
Laut den neuen Analysen liegt das daran, dass zwar bei derart hohem Tempo viel Hitze entsteht, sich diese aber auf einzelne Punkte auf den Metalloberflächen konzentriert, die direkt in Kontakt miteinander stehen. Dort kann es Tausende Grad Celsius heiss werden, während es an anderen Stellen deutlich kühler bleibt.
Letztlich schmilzt an den Hitzepolen das Metall auf, kristallisiert aber schon nach kürzester Zeit wieder aus. Die Folge davon ist, dass sich die unmittelbare Oberfläche zwar dramatisch verändert, die dahinterliegenden Materialschichten dies aber nicht in dem Ausmass tun.
«Dieser bisher kaum diskutierte Effekt tritt bei unterschiedlichen Materialien auf. Überall, wo es zu Reibung mit hoher bis extrem hoher Geschwindigkeit kommt, wird man das in Zukunft unbedingt berücksichtigen müssen», so Eder.
Mit dem Effekt sind laut den Forschern etwa Lager in Getrieben in der E-Mobilität oder Maschinen, die Oberflächen schleifen, konfrontiert. Ähnliche Kräfte wirken aber auch auf Metalle bei einem Fahrzeugabsturz oder wenn Partikel auf Hochgeschwindigkeits-Flugzeuge auftreffen.