Nicht nur Insekten, auch für Zugvögel sind Neonicotinoide schädlich. Dies hat eine kanadische Forschergruppe herausgefunden.
Neonicotinoide
Mehrere Vögel fliegen in der Nacht. - DPA
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Das Wichtigste in Kürze

  • Neonicotinoide sind auch für Zugvögel schädlich.
  • Die Pestizide führen bei den Vögeln unter anderem zu Gewichtsverlust.

Neonicotinoide setzen nicht nur Insekten zu, sondern auch Vögeln. Zugvögel, die diese Pestizide aufnehmen, sind deutlich geschwächt, wie eine Studie zeigt. Damit spielen direkte Gesundheitseffekte vermutlich eine Rolle beim Rückgang vieler Vogelarten.

Zugvögel sind in Bedrängnis. Der Klimawandel verschiebt das jahreszeitliche Nahrungsangebot, so dass es nicht mehr recht zu ihrem Reiseplan passt. Rastgebiete verschwinden durch Landnutzung oder verändern sich durch den Klimawandel.

Vor allem im Mittelmeerraum werden Zugvögel auch gejagt. Und durch massiven Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft schwinden die Insekten, die für viele Vögel eine wichtige Nahrungsquelle darstellen.

Zu all diesen Problemen kommen offenbar auch direkte Gesundheitsschäden durch Pestizide aus der Stoffklasse der Neonicotinoide. Eine kanadische Forschungsgruppe hat den Effekt des Neonicotinoids Imidacloprid auf die Dachsammer (Zonotrichia leucophrys) untersucht, einen in Nordamerika heimischen Zugvogel.

Neonicotinoide: Gewichtsverlust und verzögerter Aufbruch

Die Aufnahme realistischer Mengen des Insektizids führte bereits nach wenigen Stunden dazu, dass die Vögel weniger frassen. Sie verloren auch an Gewicht und brachen von ihrem Rastgebiet später auf.

Alles Faktoren, die ihre Fortpflanzungs- und Überlebenschancen beeinträchtigen. Vor allem die mit der höheren Dosis konfrontierten Vögel brachen mitunter mehrere Tage später auf. Dies berichten die Forscherinnen im Fachblatt «Science».

Der Dachsammer wurden entweder 0,03 oder 0,1 Milligramm verabreicht. «Ein behandeltes Maiskorn enthält 1 Milligramm. Ein Rapssamen 0,17 Milligramm Neonicotinoide», erklärte Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach LU im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Ein Samenfresser wie die Dachsammer habe die in der Studie verwendete Menge also sehr schnell aufgenommen.

Die Studie unterstreiche die Bedeutung nicht direkt tödlicher Effekte der Neonicotinoide auf andere Tiergruppen als Insekten, kommentierte Rey. Die Tiere sterben an den aufgenommenen Insektizid-Mengen zwar nicht direkt. Aber ihr Organismus wird durch das Gift geschwächt und ist dann schlechter auf andere Herausforderungen vorbereitet.

Bereits frühere Studien hatten gezeigt, dass die als Nervengift wirkenden Pestizide bei weitem nicht nur auf Insekten wirken. Auch Vögel und Fische sind davon betroffen. Vor allem wegen ihrer negativen Folgen für Bestäuberinsekten wie Bienen sind drei Neonicotinoid-haltige Pflanzenschutzmittel in der Schweiz verboten.

Langlebige Rückstände

Allerdings werden die wasserlöslichen Insektizide zum grössten Teil als Staub oder durch Regen abgetragen. Und gelangen so auch in weit vom Einsatzort entfernte Böden und Gewässer. Dort sind die Stoffe sehr langlebig, wie unter anderem eine Studie der Vogelwarte Sempach und der Uni Neuenburg ergeben hat.

Selbst auf Biodiversitätsförderflächen und auf Landwirtschaftsflächen, die seit über zehn Jahren biologisch bewirtschaftet werden, finden sich Neonicotinoid-Rückstände im Boden. Dort waren Insekten, Spinnen und Würmer chronisch den Pestiziden ausgesetzt.

Wie gross der Schaden durch direkte Gesundheitseffekte der Neonicotinoide auf Vogelbestände sei, liesse sich schwer abschätzen, meinte Rey. Der Insektenschwund und damit der Verlust an Nahrung spiele ebenfalls eine wichtige Rolle.

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