Durch eine aufwändige Studie haben Forscher in Island Erbgut der Neandertaler bei Europäern nachweisen können.
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Die Nachbildung eines älteren Neandertalers steht im Neanderthal-Museum in Mettmann (Nordrhein-Westfalen). - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die meisten Menschen ausserhalb Afrika haben etwa 2 Prozent Neandertaler-DNA.
  • Dies wurde durch DNA-Sequenzierungen von 28'000 Isländer und 286 Afrikanern nachgewiesen.

Wissenschaftler von «decode.com» und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut sowie von dänischen und isländischen Universitäten veröffentlichen heute in der Zeitschrift «nature.com» die erste Studie zum Erbgut von Neandertaler im modernen Menschen. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse frühere Vermutungen, dass die meisten Menschen ausserhalb von Afrika ungefähr 2 Prozent archaischer Abstammung sind.

Desinova-Menschen paarten sich mit Menschen und Neandertaler

Dies ist ein Ergebnis des wiederholten Kontakts und der Fortpflanzung zwischen Gruppen von Homo sapiens und Neandertaler. Die Ergebnisse zeigen auch unerwartet signifikante Genomfragmente des Denisova-Menschen. Diese ist eine weitere archaische Menschenart, die sich sowohl mit Neandertalern als auch Homo sapiens fortpflanzte.

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Eine undatierte Aufnahme zeigt den Eingang zur Denisova-Höhle im russischen Altai-Gebirge nahe der Grenze zu Kasachstan und der Mongolei. - Keystone

Die Hauptbedeutung der Studie liegt jedoch in der noch nie dagewesenen Datenmenge. Diese wurde verwendet, um die Art sowie Einfluss dieses archaischen Erbes zu untersuchen. In der ersten Phase verwendete die Studie Sequenzdaten des Gesamtgenoms (whole genome sequence, WGS) von 28'000 Isländern. Das entspricht etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung, sowie von 286 Afrikanern südlich der Sahara aus dem Projekt 1000 Genomes.

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Zwei im Rheinischen Landesmuseum Bonn ausgestellte Neandertaler. Die Gesichter wurden anhand von Knochenfunden mit einem Stereolitografen konstruiert. - Keystone

Ein limitierender Faktor früherer Studien war, dass man sich auf die Suche nach Sequenzfragmenten in modernen Genomen verlassen hatte. Diese waren von nur drei archaischen Individuen abgeleitet, für die qualitativ hochwertige Sequenzdaten vorlagen: zwei Neandertaler und ein Denisova-Menschen.

Vergleich von Afrikanischem- und Isländischem Erbgut

In dieser Studie wurden afrikanische Sequenzen ohne Introgression für Homo sapiens als Ausgangswert verwendet. Die Autoren der Studie verglichen diese mit den isländischen Sequenzdaten. Die daraus resultierenden chromosmalen Fragmente, die in Isländern, jedoch nicht in Afrikanern auftraten, bilden einen umfangreichen Katalog. 15 Millionen vermutlich archaische Fragmente waren darin enthalten.

Nach Kombination überlappender Fragmente identifizierten die Autoren mehr als 50'000 archaische Fragmente, die 38-48 % des Genoms ausmachen. Diese enthalten fast 400'000 einbuchstabige Sequenzvarianten, die in den afrikanischen Proben fehlen. Interessanterweise identifizierten die Autoren in den isländischen Proben etwa 300 «archaische Wüsten», in denen keinerlei archaischen Fragmente vorkamen. Diese decken ungefähr 25 % des Genoms ab, einschliesslich des gesamten X-Chromosoms.

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Die originalgetreue Nachbildung eines Neandertaler-Skeletts (r.) und das Knochengerüst eines modernen Menschen. - Keystone

Um den phänotypischen Einfluss der archaischen Varianten besser zu verstehen, untersuchte das deCODE-Team der Gesamtgenom-Daten von 210'000 Isländern. Nach dem Aussortieren suggestiver Assoziationen identifizierte das Team fünf archaische Varianten mit genomweiten signifikanten Assoziationen. Eine davon wurde mit dem Prostatakrebs-Risiko in Verbindung gebracht, es war jedoch nicht bekannt, dass diese Variante archaischen Ursprungs ist.

Zwei Varianten wurden mit verringerten Spiegeln und einer geringeren Masse von Hämoglobin; eine vierte Variante mit einer erhöhten Zeit bis zur Blutgerinnung und eine fünfte mit geringerer Körpergrösse in Verbindung gebracht. «Egal ob auf individueller oder Populationsebene, dank unseres Genoms können wir besser verstehen, wer wir,» sagte deCODE-CEO Kari Stefansson.

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