Zahl der Grundsicherungsempfänger steigt
Die Zahl der Empfänger von Grundsicherung ist erneut gestiegen.

Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als halbe Million Rentner müssen aufstocken.
Wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte, bekamen im Dezember 2018 knapp 1,08 Millionen Menschen Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung. Das waren 1,9 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Gut die Hälfte davon erhielten die Sozialleistung, weil sie das Rentenalter erreicht haben. Die andere Hälfte bekam sie wegen Krankheit oder Behinderung.
Der Linken-Sozialexperte Matthias Birkwald wertete den Anstieg der Zahlen als «erschreckend». «Weder die Altersrenten noch die Renten wegen Erwerbsminderung schützen Menschen vor Armut», kritisierte er in Berlin. Immer mehr Menschen müssten im Alter und wegen chronischer Krankheiten den Gang zum Sozialamt antreten. Seit 2003 habe sich die Zahl der von Grundsicherung im Alter betroffenen Männer und die Zahl der von Grundsicherung wegen Erwerbsminderung betroffenen Frauen verdreifacht, erklärte Birkwald weiter.
Von einem «Skandal» sprach mit Blick auf die steigende Zahl der Leistungsempfänger die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Dies sei umso schlimmer, «weil es sehr viele Grundsicherungsempfänger gibt, die lange gearbeitet und in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, deren Renten aber so gering sind, dass sie zusätzlich staatliche Hilfen wie die Grundsicherung beantragen müssen».
Bentele forderte einen Freibetrag von 212 Euro monatlich in der Grundsicherung auch für die gesetzliche Rente. Hier müsse es eine Gleichbehandlung mit Beziehern privater oder betrieblicher Renten geben. Zudem plädierte sie für die SPD-Forderung nach einer Grundrente, um die derzeit in der Koalition gerungen wird. Allerdings müsse es auch hier noch Nachbesserungen geben.
«Trotz einer positiven Rentenentwicklung wächst die Zahl bedürftiger Rentnerinnen und Rentner immer weiter», kritisierte auch der Sozialverband Arbeiterwohlfahrt. Der Awo-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler forderte deswegen Verbesserungen nicht nur bei der Grundsicherung, sondern auch beim Wohngeld. Dieses müsse für Rentner mit niedrigem Einkommen leichter zugänglich sein. Stadler pochte ebenfalls auf die Einführung der Grundrente.
Im Mai will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seinen Gesetzentwurf für eine Grundrente präsentieren. Seine Pläne sorgen seit Wochen in der Koalition für Streit. Union und SPD hatten zwar im Koalitionsvertrag die Einführung einer Grundrente vereinbart für Menschen, die trotz vieler Beitragsjahre nur geringe Rentenansprüche haben. Anders als dort vorgesehen enthält das Konzept des Arbeitsministers aber keine Bedürftigkeitsprüfung vor Auszahlung der Leistung, was auf heftige Kritik in der Union stösst.
Als «Alarmsignal» bezeichnete der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, Guido Zeitler, die zunehmende Zahl der Empfänger von Grundsicherung. Er verwies darauf, dass in bestimmten Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Bäckerhandwerk «selbst jahrzehntelange Arbeit oft kaum zum Leben reicht». Dies liege «einerseits daran, dass sich Unternehmen zunehmend vor Tarifverträgen drücken und nur Mini-Löhne zahlen», andererseits auch am Trend zu Teilzeit- und Minijobs.