Juri Dmitrijew wird in Russland als politischer Gegner angesehen. Die Regierung geht mit dem russischen Historiker skrupellos um.
Urteil im umstrittenen Prozess
Juri Dmitrijew, Menschenrechtler und Historiker aus Russland, spricht zu Journalisten vor einem Gerichtsraum. - dpa
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Dem russischen Historiker Juri Dmitrijew werden schwere Vorwürfe gemacht.
  • Die Vorwürfe gegen Dmitrijew sind jedoch nicht glaubwürdig.
  • Der 64-Jährige gilt als politisch Verfolgter in Russland.

Mord, Spionage und sogar Kindesmissbrauch – Russlands Strafjustiz zieht alle Register, um Andersdenkende zum Schweigen zu bringen. Die Gegner von Kremlchef Wladimir Putin klagen über immer mehr Repressionen.

Die Vorwürfe gegen den russischen Historiker Juri Dmitrijew sind aus Sicht von Menschenrechtlern «besonders brutal»: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm sexuellen Missbrauch seiner Adoptivtochter vor.

Niemand glaubt den Anschuldigungen

Nach mehr als drei Jahren in den Mühlen der Strafjustiz ist der 64-Jährige sichtlich zermürbt. 15 Jahre Haft drohen ihm. An diesem Mittwoch endet sein Prozess in Petrosawodsk im Norden Russlands. Doch niemand glaube, dass die Anschuldigungen wahr sind, stellt die Menschenrechtsorganisation Memorial fest.

Vielmehr gilt Dmitrijew als politisch Verfolgter, der mit erfundenen Vorwürfen zum Schweigen gebracht werden soll. Russland kennt viele solcher Fälle und es werden immer mehr.

«Opfer ist nicht nur Dmitrijew, sondern auch seine Tochter, die um ihr Leben in ihrer Familie gebracht wurde.» Das teilt Memorial mit. Das Mädchen ist heute 15 Jahre alt. Beweise für eine Schuld Dmitrijews gibt es auch laut Gutachten nicht.

Wladimir Wladimirowitsch Putin
Wladimir Putin, Präsident von Russland (Archiv). - dpa

Doch den Behörden gefiel vor allem nicht, dass der Historiker bei Memorial den Verbrechen unter dem Sowjetdiktator Josef Stalin nachspürte. Das Kulturministerium in Karelien sah die Gefahr, dass durch Dmitrijews Arbeit der «internationale Ruf Russlands» Schaden nehmen könnte.

Dmitrijew fand Massengrab aus Stalin-Regime

1997 hatte Dmitrijew nach Forschungen zu Hinrichtungen unter Stalin ein Massengrab mit 7000 Leichen von 1937 und 1938 gefunden. Er organisierte das Gedenken – geriet damit aber jenen Kräften in die Quere, die Stalin verehren. «Wir müssen an jene Menschen erinnern, die durch den Willen der Anführer unseres Staates starben», sagte Dmitrijew vor Gericht. Er halte das für seine patriotische Pflicht, sagte er jenen, die ihm vorwerfen, er wolle Russlands Geschichte mit Füssen treten.

«Dmitrijews Anklage ist im Kontext mit den Anstrengungen der russischen Behörden zu sehen, die Verbrechen Stalins kleinzureden.» Das teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch mit.

Nacktbilder keine Kinderpornografie

Medien zeichneten nach, wie Ermittler 2016 in Dmitrijews Anwesenheit in seine Wohnung eindrangen und von seinem Computer Dateien sicherten. Dort gab es auch Bilder der nackten Adoptivtochter, die Gutachter ausdrücklich nicht als Kinderpornografie einstuften.

Dmitrijew ist mehrfacher Vater und Grossvater – niemand bezeugte pädophile Neigungen, auch Psychiater nicht. Die Nacktfotos hatte er nach eigener Darstellung gemacht, um die Entwicklung des unterernährten Kindes zu dokumentieren.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

RegierungWladimir PutinMordHaftGerichtHuman Rights watchComputerVater