Estland hat ein neues Parlament gewählt. Als Siegerin geht klar die wirtschaftsliberale Partei von Regierungschefin Kaja Kallas hervor.
Kaja Kallas
Kaja Kallas - AFP/Archiv
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Estland wurde ein neues Parlament gewählt.
  • Die Partei von Regierungschefin Kallas wurde erneut zur stärksten Kraft gemacht.
  • Somit wird sie ihren harten Kurs gegen Russland wohl weiterführen können.

Die Menschen in Estland setzen angesichts des russischen Kriegs in der Ukraine auf politische Kontinuität: Bei der Parlamentswahl in dem baltischen EU- und Nato-Land haben sie die wirtschaftsliberale Partei von Regierungschefin Kaja Kallas erneut zur stärksten Kraft gemacht.

Damit dürfte die 45-Jährige ihren klaren und harten Kurs gegen den Nachbarn Russland und dessen Angriffskrieg weiterführen können. Kallas steht seit 2021 als erste Frau in Estlands Geschichte an der Regierungsspitze – und gilt als eine der resolutesten Unterstützerinnen von Kiew in Europa.

Kallas befürwortet EU-Sanktionen gegen Moskau

Estland teilt eine fast 300 Kilometer lange Grenze mit Russland und betrachtet den Angriffskrieg gegen die Ukraine als direkte Gefahr für seine Sicherheit. Seit Kriegsbeginn profiliert sich Kallas als entschiedene Befürworterin von EU-Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen an die Ukraine. Unter ihrer Führung gab Estland mehr als ein Prozent seiner Wirtschaftsleistung als Militärhilfe an die Ukraine und nahm mehr als 60'000 Kriegsflüchtlinge auf. Entschieden forderte sie eine Stärkung der Nato-Ostflanke.

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Kaja Kallas vor dem Präsidentenpalast in Tallinn. - AFP

Kallas' Reformpartei holte 37 von 101 Sitzen im Parlament in Tallinn – drei mehr als bei der vorherigen Wahl 2019. Damit bleibt sie laut Wahlkommission die mit Abstand stärkste Kraft in der Volksvertretung Riigikogu. Mit über 31 000 Stimmen in ihrem Wahlkreis stellte Kallas selbst einen Rekord auf – mehr bekam seit der wiedererlangten Unabhängigkeit Estlands von der Sowjetunion 1991 noch niemand.

Staatschef ruft zu zügigen Koalitionsgesprächen auf

Die Juristin und Tochter des früheren EU-Kommissars Siim Kallas führt gegenwärtig ein Dreierbündnis mit den Sozialdemokraten (neun Sitze) und der konservativen Partei Isamaa (acht Sitze) an, die beide Mandate verloren. Ob sie die Koalition fortführen oder sich neue Partner suchen wird, liess Kallas zunächst offen. Vorher sollten parteiintern alle Optionen besprochen werden.

Alar Karis
Alar Karis ist Staatspräsident von Estland. - keystone

Zweit- und drittstärkste Kraft wurden zwei Oppositionsparteien: die rechtspopulistische Partei EKRE (17 Sitze) und die linksgerichtete Zentrumspartei (16 Sitze), die jeweils Mandate einbüssten. Grösster Stimmengewinner der Wahl war die liberale Partei Eesti 200, die mit 14 Sitzen erstmals im Parlament vertreten sein wird. Experten halten sogar eine Beteiligung an der Regierung für denkbar.

Staatschef Alar Karis, der den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen muss, rief zu zügigen Koalitionsgesprächen auf. «Die gegenwärtige Situation ist nicht günstig für eine lange Zeit der Ungewissheit», teilte er am Montag mit und kündigte Treffen mit Vertretern aller ins Parlament gewählten Parteien an. «Die Menschen erwarten eine schnelle Lösung oder Linderung verschiedener wirtschaftlicher, sozialer und sicherheitsbezogener Probleme.»

Inflation bereitet Sorgen

Grosse Sorgen bereitet vielen Bürgern die rasant gestiegene Inflation, wegen der sich die Lebenshaltungskosten stark erhöhten – die Teuerungsrate lag zuletzt bei fast 18 Prozent. Dies machte besonders EKRE zu Kernthema im Wahlkampf, der neben dem Ukraine-Krieg von sozialpolitischen Fragen bestimmt war.

Eine Besonderheit bei der Wahl war wieder die Möglichkeit der Stimmabgabe über das Internet, die Estland 2005 als erstes Land in Europa eingeführt hatte. Insgesamt wurde über die Hälfte aller Stimmen digital abgegeben – ein Rekord beim «E-Voting».

Zu den ersten ausländischen Gratulanten gehörten die Regierungschefs der Nachbarstaaten Lettland, Litauen und Finnland.

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