Vogelgrippe breitet sich in Deutschland aus
Die Geflügelpest breitet sich in Deutschland weiter aus: Über 500.000 Tiere getötet, vielerorts gilt Stallpflicht für Geflügel.

Die Geflügelpest greift in Deutschland auf immer mehr Agrarbetriebe über – vielerorts gilt eine Stallpflicht für Enten, Gänse & Co. Mehr als 500'000 Tiere wurden bereits getötet, doch die Vogelgrippe breitet sich weiter aus.
Als erstes Bundesland reagierte das Saarland im Südwesten mit der strikten Schutzmassnahme, sodass Landwirte ihr Geflügel nicht mehr im Freien halten dürfen. Kurze Zeit darauf zog auch Hamburg nach.
Auch fast überall in Brandenburg müssen die Tiere nach einer Anordnung der Landkreise in den Stall oder unter abgedeckte Schutzvorrichtungen. Oberstes Ziel: Das Geflügel soll so nicht in Kontakt mit Wildvögeln kommen.
Vogelgrippe-Ausbrüche in Deutschland steigen auf 35
Wie das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) in Greifswald mitteilte, stieg die Zahl der seit Anfang September erfassten Vogelgrippe-Ausbrüche in kommerziellen Geflügelhaltungen landesweit auf 35. Täglich würden neue Fälle gemeldet, das Infektionsgeschehen sei weiterhin sehr dynamisch, sagte eine Sprecherin des Instituts für Tiergesundheit.
Besonders betroffen sind weiterhin Betriebe in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die Zahl der vorsorglich getöteten Tiere liege deutschlandweit inzwischen deutlich über 500'000. Um die Ausbreitung der Geflügelpest einzudämmen, werden Hühner, Enten, Gänse und Puten in den betroffenen Betrieben gekeult und entsorgt.
In Brandenburg sind es bislang nach Ministeriumsangaben um die 155'000 getötete Tiere – so schlimm war das Ausmass bislang nur im Jahr 2016/2017. Sieben Betriebe sind in dem östlichen Bundesland von einem Ausbruch der Tierseuche betroffen.
Saarland verhängt Stallpflicht – hohe Bussgelder möglich
Die Vogelgrippe, auch Geflügelpest genannt, ist eine hochansteckende und bei vielen Vogel- und Geflügelarten rasch tödlich verlaufende Infektionskrankheit.
Nach Angaben des Loeffler-Instituts grassiert die Geflügelpest weiterhin auch unter Wildvögeln. Bei rund 160 eingesandten Tierkadavern sei im Labor das Virus H5N1 festgestellt worden. Die Zahl der verendeten Tiere sei um ein Vielfaches höher. Vor allem unter Kranichen hatte die Vogelgrippe ein Massensterben ausgelöst. Allein im Nordwesten Brandenburgs wurden laut Agrarministerium um die 2000 Kadaver eingesammelt.
Im kleinen Saarland, das an Frankreich und Luxemburg grenzt, gibt es derzeit einen bestätigten Fall eines Wildvogels, der an der H5N1-Variante des Geflügelgrippe-Virus erkrankt ist. Hinzu kommen fünf weitere, bislang nicht bestätigte Nachweise. Dennoch verhängte das Bundesland eine allgemeine Stallpflicht. Bei Verstössen können nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums Bussgelder von bis zu 30.000 Euro verhängt werden.
Stallpflicht greift in Hamburg ab Freitag
In Hamburg gilt wegen der Geflügelpest ab Freitag ebenfalls eine Stallpflicht, wie die Verbraucherschutzbehörde mitteilte. Die Hansestadt zählt bisher drei festgestellte Fälle von Geflügelpest bei Wildvögeln und 14 Verdachtsfälle bei Wildvögeln.
Gerhard Lorson hat seinen Stall bereits zugemacht. «Sicher ist sicher», sagte der Halter von rund 15'000 Hühnern im saarländischen Wadgassen-Differten. Keiner wolle, dass ein infizierter Kranich auf seinem Gelände lande – und man dann seine Tiere töten müsse.
«Bei uns fliegen auch die Zugvögel drüber, und wenn man sie nachts hört, dann zuckt man schon zusammen», sagte Lorson. Normalerweise habe er rund 6000 Tiere im Freilaufgehege. Sie könnten aber weiterhin in den «Wintergarten» im Stall – mit Dach und Zaun. «Da können sie genug bei frischer Luft rennen», sagte Lorson.
Massive Tierverluste in Brandenburg
Zur Stallpflicht gibt es aber auch kritischere Stimmen: «Eine Stallpflicht für im Freiland lebende Gänse und Enten ist sicherlich eine nachvollziehbare Massnahme, aus Sicht des Tierschutzes jedoch problematisch einzustufen», sagte Landwirt Malte Voigts aus Brandenburg, der auf Freilandhaltung setzt.
Der wirtschaftliche Schaden, der Agrarbetrieben durch die Tötung ihres Geflügels entsteht, lässt sich insgesamt nur schwer abschätzen. Ein Teil des Schadens ersetzt die Tierseuchenkasse. «Eine Existenzbedrohung für Betriebe darf es nicht geben», mahnte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke.
Landwirt Voigts aus Brandenburg nennt einen Ertragsausfall von etwa 730.000 Euro. Der Betrieb musste 5.000 Gänse und 3600 Enten töten lassen. Der Verlust sei auch durch die Entschädigung nicht ganz wettzumachen, da der Hof spätestens zum traditionellen Martinsgans-Essen bis über Weihnachten vom Geschäft rund um das Geflügel geprägt sei. In einem anderen Landkreis in Brandenburg waren zwei Grossbetriebe betroffen: Rund 130.000 Enten und Masthähnchen wurden gekeult.
Naturschutzorganisationen kritisieren Massentierhaltung
Von Naturschutz-Organisationen werden nun auch Vorwürfe an die Geflügelwirtschaft laut. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Brandenburg schrieb in einer Mitteilung: «Nicht die Wildvögel sind die Ursache des verheerenden Ausbruchs der Vogelgrippe in Brandenburg, sondern die Massentierhaltung von Geflügel.»
Mist und Kot der Tiere würden unbehandelt auf Felder ausgebracht. Rastende Kraniche hielten sich zur Nahrungssuche auf diesen Flächen auf und infizierten andere Tiere, lautet ein Vorwurf.
Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft teilte auf Anfrage mit: «Eine pauschale Schuldzuweisung an die Branche entbehrt jeder fachlichen Grundlage.» Die wissenschaftliche Datenlage sei eindeutig: Wildvögel, insbesondere Wasservögel, seien «das natürliche Reservoir» für Vogelgrippe-Viren.













