Beim Türkei-Besuch der EU-Spitze wird Ursula von der Leyen aufs Sofa verdonnert. Dies sorgt bei der Kommissionspräsidentin und im Netz für Irritationen.
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Dieses vom Europäischen Rat zur Verfügung gestellte Foto zeigt den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan (2.v.r) und den türkischen Aussenminister Mevlut Cavusoglu (r) während eines Treffens mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l) und EU-Ratspräsident Charles Michel. - Dario Pignatelli/European Council/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die EU will ihre Beziehung zur Türkei verbessern.
  • Gestern traf sich die EU-Spitze mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
  • Kommissionspräsidentin von der Leyen war irritiert, als sie auf die Couch verwiesen wurde.

Seit über einem Jahr ist sie Präsidentin der Europäischen Kommission und damit die starke Frau an der Spitze der EU. Doch bei einem Treffen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan wurde Ursula von der Leyen richtiggehend abgewatscht.

Grund für den Aufreger: Die Sitzordnung. So darf EU-Ratspräsident Charles Michel auf dem Stuhl neben dem türkischen Staatspräsidenten Platz nehmen. Ursula von der Leyen hingegen wird auf die Couch nebenan verdonnert.

Als die Herren sich setzen reagiert die Kommissionspräsidentin sichtlich irritiert mit einem gut hörbaren «äähm».

Aber nicht nur bei der Deutschen sorgt das Protokoll für Irritation. Auch das Netz zeigt sich brüskiert von der Respektlosigkeit Erdogans. Zumal der Vorgänger von Ursula von der Leyen Jean-Claude Juncker bei Treffen mit Erdogan jeweils auf Augenhöhe sitzen durfte.

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Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdogan mit dem ehemaligen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. (Archivbild) - Keystone

So meint ZDF-Reporterin Anne Gellinek: «Wenn die Jungs sich selbstverständlich in die Chef-Sessel setzen und Frau nur ein Nebenschauplatz bleibt.» Und fügt an, dass beim Gespräch auch Frauenrechte thematisiert wurden.

Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir schreibt dazu: «Solche Zeichen setzen autoritäre Unterdrücker und Machos wie Putin, Erdogan und Co. bewusst.» Und weiter: «Kann man sich gefallen lassen, muss man nicht. Respekt bekommt man so jedenfalls nicht bei den Herren!»

Erdogan-Regierung aus Istanbul-Konvention ausgestiegen

Die EU-Kommission verwies darauf, dass von der Leyen mit Erdogan eine lange und offene Diskussion über Frauenrechte geführt habe. Dabei ging es um den Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention Ende März. Die Konvention des Europarats aus dem Jahr 2011 ist das weltweit erste verbindliche Abkommen gegen Gewalt an Frauen.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan empfängt den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel (L) und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula Von der Leyen (R) vor ihrem Treffen im Präsidialkomplex. - Dario Pignatelli/European Council/dpa

Konservative Politiker hatten zuvor den Austritt verlangt. Die Begründung: Die Übereinkunft schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen.

Doch Gewalt an Frauen ist auch in der Türkei ein weit verbreitetes Problem. Gemäss der Organisation «Wir werden Frauenmorde stoppen» wurden alleine im vergangenen Jahr in der Türkei 300 Frauen ermordet. Tausende Frauen gingen darum in den vergangenen Monaten in Istanbul und anderen Städten auf die Strasse. Sie forderten ein Festhalten an der Konvention.

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Proteste in der Türkei gegen Rückzug aus der Istanbul-Konvention. - AFP/Archiv

Der Rückzug aus dem Abkommen bedeute, dass «Frauen weiterhin Bürger zweiter Klasse bleiben und zugelassen wird, dass sie getötet werden.» Dies erklärte die stellvertretende Chefin der Oppositionspartei CHP Gökce Gökcen.

Ursula von der Leyen abgeklatscht – EU reagiert nicht

Auf das bizarre Protokoll der türkischen Regierung hat die EU-Kommission hingegen nicht reagiert. Ein Grund dürfte sein, dass Rats-Präsident Michel in der protokollarischen Rangordnung über der EU-Kommissionschefin steht.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (M) steht mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (r) und Ratspräsident Charles Michel vor einem Treffen in Ankara. - Dario Pignatelli/European Council/dpa

Grund dürfte auch sein, dass es bei dem Treffen am Dienstag um die Verbesserung der europäisch-türkischen Beziehungen ging. Diese verschlechterten sich mit dem Streit zwischen der Türkei und Griechenland wegen der umstrittenen Erdgasforschung Ankaras im östlichen Mittelmeer abermals. Die EU drohte gar mit scharfen Sanktionen gegen das Land.

Nun wollen die EU-Staats- und Regierungschefs die Beziehungen zur Türkei wieder schrittweise ausbauen. Eine weitere Eskalation der Konflikte soll verhindert werden. Dies hängt wiederum mit dem Migrationsabkommen mit der Türkei zusammen. Dieses verpflichtet die Türkei, Geflüchtete an der Weiterreise in Richtung Europa zu hindern.

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