Nach dem Terroranschlag bei Moskau richten sich die Blicke auf vier inhaftierte Tatverdächtige. Ihre schweren Verletzungen deuten auf mögliche Folter.
Ein Tatverdächtiger des Terroranschlags auf die Konzerthalle Crocus City Hall wird von Polizisten und FSB-Beamten im Basmanny-Bezirksgericht eskortiert. Foto: Alexander Zemlianichenko/AP
Ein Tatverdächtiger des Terroranschlags auf die Konzerthalle Crocus City Hall wird von Polizisten und FSB-Beamten im Basmanny-Bezirksgericht eskortiert. - sda - Keystone/AP/Alexander Zemlianichenko

Das Wichtigste in Kürze

  • Die schweren Verletzungen der Tatverdächtigen lassen auf mögliche Folter schliessen.
  • Putin plant, mit Vertretern aus Sicherheitsstrukturen über weitere Massnahmen zu beraten.
  • Nach dem Anschlag in Moskau hat Frankreich die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen.
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Mehrere Tage nach dem Terroranschlag bei Moskau richtet sich der Blick in Russland vor allem auf vier mittlerweile inhaftierte Tatverdächtige. Kremlsprecher Dmitri Peskow wollte sich am Montag zunächst nicht zu den schweren Verletzungen der Männer äussern. Diese deuten auf Folter durch russische Sicherheitskräfte hin.

Stattdessen kündigte er für den Abend ein Treffen von Präsident Wladimir Putin mit Vertretern verschiedener staatlicher Strukturen an. Bei diesem sollen weitere Massnahmen als Reaktion auf den Anschlag diskutiert werden. Vor Ort hielten in der zerstörten Crocus City Hall die Aufräumarbeiten an. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in den Trümmern der ausgebrannten Konzerthalle noch weitere Leichen gefunden werden.

Tatverdächtige schwer verletzt im Gerichtssaal

Als die mutmasslichen Täter am Sonntag von Polizisten und Geheimdienstlern ins Basmanny-Gericht gebracht wurden, fielen sofort ihre schweren Verletzungen auf. Mehrere der Männer, wiesen stark geschwollene Gesichter, Platzwunden und Blutergüsse auf. Einer hatte einen grossen Verband am Ohr.

Ein anderer konnte nicht mehr selbst laufen und verlor Berichten zufolge zwischenzeitlich das Bewusstsein. Er wurde auf einer Krankenliege in den Gerichtssaal gefahren, wo die Haftbefehle erlassen wurden. Zuvor waren in sozialen Netzwerken Videos aufgetaucht, die zeigen sollen, dass die mutmasslichen Attentäter gefoltert wurden. Und einem von ihnen gar ein Ohr abgeschnitten wurde.

«Versagen der russischen Geheimdienste»

Zu einem Journalisten, der auf die im Gerichtssaal sichtbaren Verletzungen und auf die Foltervideos hinwies, sagte Kremlsprecher Peskow lediglich: «Ich lasse diese Frage unbeantwortet.» Leonid Wolkow, zeigte sich hingegen überzeugt davon, dass die Aufnahmen die Öffentlichkeit auf Anweisung von ganz oben erreicht hätten. Wolkow war ein Vertrauter des kürzlich im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny.

Dass der Machtapparat seine eigene Grausamkeit so demonstrativ zur Schau stelle, sei neu, schrieb Wolkow im Nachrichtendienst Telegram. So solle wohl abgelenkt werden vom «Versagen der russischen Geheimdienste» vor dem Anschlag, zeigte er sich überzeugt.

Putin will weitere Massnahmen beraten

Putin wollte unterdessen noch an diesem Montag mit Vertretern aus Sicherheitsstrukturen und anderen staatlichen Bereichen über weitere Massnahmen beraten. Gegen Abend sei ein entsprechendes Treffen angesetzt, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Es solle dabei auch um die Frage gehen, mit welchen Leistungen Opfer und ihre Angehörigen unterstützt werden können.

Zu den Hintergründen des Angriffs auf die Crocus City Hall äusserte sich Peskow indes nicht. Bereits mehrfach für sich reklamiert hat den Anschlag die Terrormiliz Islamischer Staat. Westliche Sicherheitsbehörden und Experten halten das Bekenntnis für glaubhaft und vermuten den IS-Ableger Islamischer Staat Provinz Khorasan hinter dem Anschlag.

Die ISPK-Terrorgruppe hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien. Diese umfasste Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie des Irans.

Die russische Propaganda versucht indes, einen angeblichen Zusammenhang zur Ukraine herzustellen. Beweise für diese Behauptung gibt es aber keine. Die ukrainische Führung hat die Vorwürfe zudem strikt zurückgewiesen.

Höchste Terrorwarnstufe in Frankreich nach Anschlag in Moskau

In Spitälern wurden am Montag 97 Verletzte behandelt, wie die Leiterin der Gesundheitsverwaltung im Gebiet Moskau, Ljudmila Bolatajewa, mitteilte. Die Patientinnen und Patienten seien über Kliniken der Hauptstadt und des Moskauer Gebiets verteilt, ihre Verletzungen seien unterschiedlich schwer. Bei dem Anschlag waren nach letzter Zählung der Behörden 137 Menschen getötet und mehr als 180 verletzt worden. An einem improvisierten Gedenkort am Zaun des Geländes Crocus City legten weiterhin trauernde Menschen Blumen nieder.

Nach dem Anschlag in Moskau rief Frankreich die höchste Terrorwarnstufe aus. Präsident Emmanuel Macron erklärte, derselbe Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat, habe zuletzt auch in Frankreich Anschlagsversuche unternommen. Ohne die Untergruppe zu benennen, sagte Macron am Montag, der Islamische Staat habe den Anschlag in Moskau für sich reklamiert.

«Die Informationen (...) deuten in der Tat darauf hin, dass eine Einheit des Islamischen Staats diesen Anschlag angezettelt und ausgeführt hat.» Ende Juli beginnen in Paris die Olympischen Spiele. Frankreich, das zahlreiche Terrorattacken erlitten hat, dürfte mit Blick auf das Grossevent besondere Vorsicht walten lassen.

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