Staatsanwaltschaft Istanbul ermittelt gegen Girlband «Manifest»
Die Staatsanwaltschaft Istanbul hat ein Verfahren gegen die Girlband «Manifest» wegen Exhibitionismus und Verletzung der Keuschheit eingeleitet.

Die türkischen Behörden haben nach einem ausverkauften Konzert Ermittlungen gegen die Girlband «Manifest» eingeleitet.
Die Staatsanwaltschaft wirft den sechs Musikerinnen «obszöne Handlungen» und «Exhibitionismus» vor.
Staatsanwaltschaft wirft Girlband «Manifest» Obszönität vor
Ihre Tanzchoreografie und Bühnenoutfits hätten angeblich die öffentliche Moral verletzt. In der offiziellen Erklärung heisst es, die Auftritte verstiessen gegen «Keuschheit, Scham und die Sitten des Anstands», so der «Deutschlandfunkkultur».
Die Sängerinnen wurden vorübergehend festgenommen und erhielten eine Ausreisesperre, dürfen also die Türkei nicht verlassen. Bereits zuvor war ein geplantes Konzert in der ostanatolischen Stadt Erzurum von den örtlichen Behörden verboten worden.
Der kometenhafte Aufstieg einer verfolgten Popgruppe
Die sechsköpfige türkische Girlband «Manifest» hat innerhalb weniger Monate eine bemerkenswerte Karriere hingelegt. Die jungen Frauen entstammen einer Talentshow und haben sich schnell zu Türkeis erfolgreichster Popgruppe entwickelt.
Ihr Debütalbum «Manifestival» eroberte bereits im Frühjahr die Spitze der türkischen Charts. Die Musikerinnen begeistern ihr junges Publikum laut dem «WDR» mit einer Mischung aus K-Pop-Elementen und türkischen Einflüssen.

Besonders ihre energiegeladenen Tanzchoreografien und ihr moderner Stil haben eine neue Generation von Fans angezogen.
Die Band verkörpert eine selbstbewusste weibliche Präsenz in der türkischen Musiklandschaft und gilt als Symbol für zeitgenössische Frauenpower.
Politische Positionierung und gesellschaftliche Relevanz
«Manifest» hat sich von Beginn an klar auf der Seite der türkischen Opposition positioniert, so das «SRF». Als im März der Istanbuler Bürgermeister İmamoğlu festgenommen wurde, verschoben die Sängerinnen bewusst die Veröffentlichung ihrer ersten Single.
Der Slogan «Recht! Gesetz! Gerechtigkeit!» der Protestbewegung gegen Erdogans Regime wurde von der Band in einem ihrer Hits vertont. Bei ihren Konzerten skandieren sowohl die Musikerinnen als auch das Publikum diesen politischen Schlachtruf.
Die Mitglieder sind zu Symbolfiguren für den Widerstand gegen autoritäre Strukturen geworden. Ihre Popularität speist sich nicht nur aus ihrer Musik, sondern auch aus ihrer mutigen politischen Positionierung.
Gesellschaftliche Unterstützung und kulturelle Bedeutung
Die Verfolgung von «Manifest» hat in der türkischen Kreativszene eine Welle der Solidarität ausgelöst. Viele Künstler und Kulturschaffende sehen in den Ermittlungen einen direkten Angriff auf die Meinungsfreiheit und künstlerische Unabhängigkeit von Frauen.

Die türkische Ausgabe der Zeitschrift Cosmopolitan erklärte, dass freier künstlerischer Ausdruck durch Musik, Stil und Tanz kein Verbrechen sei. Auch prominente Musiker wie der Rapper Ezhel haben sich öffentlich hinter die Girlband gestellt und ihre Unterstützung bekundet.
Kulturexperten sehen laut dem «SRF» in der staatlichen Reaktion auch eine Art kulturelle Eifersucht des Regimes. Nach 20 Jahren an der Macht ist es der Regierung nicht gelungen, einen konservativen Gegenentwurf zur populären Jugendkultur zu schaffen.