Sind Waldmenschen besonders gefährlich?
Una-Bomber, CSS-Angreifer und nun der Wald-Rambo aus dem Schwarzwald. Tendieren Waldmenschen vermehrt zu Gewalt? Einer, der es wissen muss, klärt auf.

Das Wichtigste in Kürze
- Waldmensch Yves Rausch entwaffnete im Schwarzwald vier Polizisten. Er wurde heute gefasst.
- Es gibt weitere Beispiele von gewalttätigen Waldmenschen.
- Eine Ausgrenzungsforscherin ordnet ein.
Der deutsche «Wald-Rambo» Yves Rausch hält die Polizei im baden-württembergischen Oppenau seit Tagen auf Trab. Erst heute Freitagabend konnte der vorbestrafte Mann gefasst werden.
Bei einer Polizeikontrolle am Sonntag hatte der 31-Jährige vier Polizisten entwaffnet. Danach war er sechs Tage lang auf der Flucht. Zuvor lebte Rausch in einer Hütte im Wald.

Es kommt nicht zum ersten Mal vor, dass ein sogenannter Waldmensch die Bevölkerung in Atem hält.
Una-Bomber und CSS-Angreifer
Bekanntestes Beispiel ist Theodore Kaczynski. Der Una-Bomber tötete in den USA zwischen 1978 und 1995 drei Menschen und verletzte deren 23. Er lebte zurückgezogen in einer Waldhütte im Bundesstaat Montana, von wo er Briefbomben verschickte.
Auch der Kettensägen-Angreifer von Schaffhausen lebte im Wald. Franz W. stürmte im Juli 2017 mit laufender Motorsäge eine Filiale der CSS-Versicherung und attackierte damit zwei Mitarbeiter. Die Männer wurden beim Angriff verletzt.

Die Beispiele lassen die Frage zu: Sind Waldmenschen besonders gefährdet, kriminell zu werden?
Waldmensch Freukes: «Ich hasse Gewalt»
Marc Freukes ist wohl Deutschlands bekanntester Waldbewohner. Seit 2014 lebt er im hessischen Odenwald, zuerst in einem Tipi, nun in einer selbstgebauten Jurte.
Freukes war früher Golf-Trainer in der besten deutschen Liga. Mobbing, ein Burnout und Depressionen veranlassten ihn dazu, den Job aufzugeben. Von der Sozialhilfe leben wollte er nicht und so entschied sich der 46-Jährige für ein Leben im Wald.

Freukes hat von der Flucht Rauschs und dessen gewaltsamer Entwaffnung von Polizisten gehört. «Ich persönlich verabscheue Gewalt und bin bekennender Pazifist», sagt er.
Nicht nur aus diesem Grund könne von einem pauschalen Urteil, dass Waldbewohner gewalttätiger sind als herkömmlich Hausende, keine Rede sein. «Fälle wie derjenige von Rausch sind einfach viel aufsehenerregender als solche von gewalttätigen Stadtbewohnern.»
Die Sicht der Wissenschaftlerin
Dem pflichtet Sozialpsychologin und Ausgrenzungsforscherin Selma Rudert von der Universität Koblenz-Landau bei. «Sowohl in Städten, wie auch im Wald kann Isolation zur Folge haben, dass sich problematisches Verhalten bei Menschen verstärkt.»

Es lasse sich jedoch sagen, dass gesellschaftliche Integration die Wahrscheinlichkeit verringert, dass Menschen sich unangepasst verhalten oder Straftaten begehen. «Integration ist eigentlich immer wünschenswert, da sie sich erwiesen positiv auf das psychische Wohlbefinden auswirkt.»
Marc Freukes' Leumund ist einwandfrei. Jedoch befindet er sich wegen seiner Behausung im Wald seit fast drei Jahren mit den Behörden im Zwist. Kein Einzelfall bei Menschen, die im Gehölz leben. «Es scheint, als haben die Behörden Mühe mit Menschen, die sich vom Kapitalismus verabschieden und ihnen so keine Einnahmen generieren.»

Gewisse Waldmenschen würden dann an einem gewissen Punkt mit Gewalt reagieren. «Wann und wie sich diese äussert, ist individuell.» Für ihn stünde so etwas nie im Bereich des Denkbaren. Auch weil er sich in seinem aussergewöhnlichen Lebensstil bestätigt sieht.
Marc Freukes führt diverse Kurse im Wald an, die sich grosser Beliebtheit erfreuen. Und er sagt: «Ich bin glücklich im Wald.»